Almanca gramer geliştirmek için hikayeler/gramer konularına göre hikayeler ve masallar

dderya

kOkOşŞ
V.I.P
Geschichten, die grammatische Regeln vermitteln
Vergangenheit

Der hinterhältige Nagel



Johannes Merkel

1.
Oben im dritten Stock eines Hauses steckte ein Nagel in der Wand. Dort steckte er schon viele Jahre, der Putz, in dem er steckte, war mit den Jahren ganz brüchig geworden. Eines Tages jedoch bemerkte dieser Nagel, dass er nur noch locker in der Wand saß. Er ruckelte etwas hin, dann etwas her, ruckelte nach oben, dann nach unten und schon hatte er den Putz so weit gelockert, dass er sich aus der Wand herausziehen konnte. Das hätte er aber besser bleiben lassen sollen!


Denn an dem Nagel hing ein Bild. Und weil es der Nagel nicht mehr hielt, fiel das Bild auf die Blumenvase, die unter ihm auf einer Kommode stand. Die Vase kippte um, das Wasser aus der Vase lief über die Kommode, plätscherte auf den Fußboden und bildete dort eine Pfütze. Es dauerte nicht lang, da sickerte das Wasser der Pfütze durch die Decke in das Stockwerk darunter.
Im zweiten Stock hing eine Schnur von der Decke. Von dem Wasser, das durch die Decke sickerte, wurde die Schnur feucht, weichte auf und riss mittendurch.
An der Schnur hing ein Vogelkäfig und, weil die Schnur riss, fiel der Käfig auf den Fußboden. Dabei sprang das Käfigtürchen auf. In dem Vogelkäfig saß ein Papagei, der flog aus dem Käfig, flatterte durch das Zimmer und krächzte.
Die Hausfrau hörte den Papagei krächzen. Sie kam sie ins Zimmer gelaufen, um ihn einzufangen, aber der Papagei bekam es mit der Angst und ließ einen Vogeldreck fallen. Die Frau trat auf den Vogeldreck, rutschte aus und fiel der Länge nach hin. Im Fallen suchte sie sich irgendwo festzuhalten, erwischte das Tischtuch und riss es vom Tisch.

Auf dem Tischtuch stand ein Saftbecher, der wurde vom Tisch gezogen und rollte über den Fußboden. Der rote Saft, lief aus und floss über die Fußbodenbretter. Es dauerte nicht lang, da sickerte der Saft durch die Decke ins Stockwerk darunter.
Im ersten Stockwerk saß der Hausherr in einem Sessel und las in der Zeitung. Plopp, fiel plötzlich ein Tropfen Saft von der Decke und malte einen roten Fleck auf die Zeitung. Plopp. Plopp. Noch ein Tropfen, noch ein Fleck und noch einer. "Was ist das für eine Sauerei?" schimpfte der Mann und blickte nach oben. Plopp. Da landete ein Tropfen Saft direkt auf seiner Nasenspitze.
2.
Nein! Das ging ihm wirklich zu weit! Der Hausherr holte den Tropfen von der Nasenspitze und fauchte ihn an: "Was fällt dir ein, mir auf die Nasenspitze zu tropfen?"
"Nur aus Versehen, aus Versehen, ist das geschehen! Das musst du verstehen!" entschuldigte sich der Safttropfen. "Was kann ich denn dafür? Wenn mich doch der Saftbecher da oben über den Fußboden auskippte! Ist doch glasklar, dass ich das nicht war. Schuld hat der Saftbecher!"
Achso, es war also der Saftbecher, der dort oben im zweiten Stock seinen Saft auskippte! Na warte! Der Hausherr hastete über die Treppe hoch und stürmte ins Zimmer. Dort holte er den Saftbecher vom Fußboden. "Was fällt dir ein, deinen Saft einfach über den Fußboden auszukippen?"
"Nanu, nanu! Hör mir mal zu! Und bitte, gib Ruh!" wunderte sich der Saftbecher. "Was kann ich denn dafür? Wenn mich doch das Tischtuch vom Tisch zog! Ist doch glasklar, dass ich das nicht war. Schuld hat das Tischtuch!"
Achso, es war also das Tischtuch, das den Saftfbecher vom Tisch zog! Na warte! Der Hausher griff nach dem Tischtuch. "Was fällt dir ein, den Saftbecher einfach vom Tisch zu ziehen?"
"Gemach! Gemach! Denk doch erst mal nach, wer das verbrach!" verteidigte sich das Tischtuch. "Was kann ich denn dafür? Wenn sich doch die Frau an mir festhielt und mich vom Tisch riss! Ist doch glasklar, dass ich das nicht war. Schuld hat die Frau!"
Achso, es war also seine eigene Frau, die sich am Tischtuch festhielt und es vom Tisch riss. Na warte! Der Mann ging auf seine Frau los. "Was fällt dir ein, dich einfach am Tischtuch festzuhalten und es vom Tisch zu reißen?"
"Mann, o Mann, mach mich nicht an! Ich tu, was ich kann!" wehrte sich die Frau. "Was kann ich denn dafür? Wenn ich doch auf dem Vogeldreck ausgerutscht bin, den der Papagei auf den Fußboden fallen ließ! Ist doch glasklar, dass ich das nicht war. Schuld hat der Papagei!"
Achso, es war also der Papagei, der seinen Dreck auf den Fußboden fallen ließ. Na warte! Der Papagei hatte sich inzwischen auf einem Schrank in Sicherheit gebracht. Der Mann drohte ihm mit dem Finger. "Was fällt dir ein, deinen Dreck einfach auf den Fußboden fallen zu lassen?"
"Ach, ach, ach! Was soll der Krach? Mach mich nicht schwach!" krächzte der Papagei. "Was kann ich denn dafür? Wenn doch der Vogelkäfig von der Decke stürzte und das Türchen aufsprang! Ist doch glasklar, dass ich das nicht war. Schuld hat der Vogelkäfig!"
Achso, es war also der Vogelkäfig, der von der Decke stürzte und den Papagei freiließ. Na warte! Der Mann packte den Vogelkäfig. "Was fällt dir ein, einfach von der Decke zu stürzen und den Papagei freizulassen?"
"Augenblick! Augenblick! Das kommt mir zu dick! Nimm das zurück!" beschwerte sich der Vogelkäfig. "Was kann ich denn dafür? Wenn doch die Schnur mittendurch riss, ich zu Boden stürzte und mein Türchen aufsprang! Ist doch glasklar, dass ich das nicht war. Schuld hat die Schnur!"
Achso, es war also die Schnur, die mittendurch riss. Na warte! Der Mann griff sich ein Ende der zerrissenen Schnur. "Was fällt dir ein, einfach auseinanderzureißen?"
"Was soll die Tour? Stell dich nicht stur! Ich bin nur die Schnur!" keuchte die Schnur. "Was kann ich denn dafür? Wenn doch das Wasser durch die Decke sickerte und mich aufweichte! Ist doch glasklar, dass ich das nicht war. Schuld hat das Wasser!"
Achso, es war also das Wasser, das durch die Decke sickerte und die Schnur aufweichte. Na warte! Der Mann rannte über die Treppe in den dritten Stock. Da erblickte er auch schon die Pfütze auf dem Boden und die umgestürzte Vase auf der Kommode. "Was fällt dir ein, dein Wasser einfach über den Fußboden auszugießen?"
"Sachte! Sachte! Bitte, beachte, dass es hier krachte!" konterte die Vase "Was kann ich denn dafür? Wenn doch das Bild auf mich fiel und mich umstieß! Ist doch glasklar, dass ich das nicht war. Schuld hat das Bild!"

Achso, es war also das Bild, das die Vase umstieß. Na warte! Der Mann schüttelte den Bilderrahmen. "Was fällt dir ein, einfach die Vase umzustoßen?"
"Blablabla, was quasselst du da für ein Trallala!" protestierte der Bilderrahmen. "Was kann ich denn dafür? Wenn sich doch der Nagel da oben aus der Wand zog und mich herabfallen ließ! Ist doch glasklar, dass ich das nicht war. Schuld hat der Nagel!"
Achso, es war also der Nagel, der sich aus der Wand zog und das Bild herabfallen ließ. Na warte! Der Mann blickte sich um, um sich den Nagel zu greifen. Aber wo war bloß der Nagel?

3.
Als er sich aus der Wand gezogen hatte, war der Nagel auf den Sessel gefallen und unter ein Kissen gerollt. Als er ihn nicht finden konnte, rief der Hausherr: "Hörst du, Früchtchen? Komm freiwllig raus oder du wirst mich kennen lernen!" Aber der Nagel hatte keine Lust, den zornigen Hausherrn kennen zu lernen, und blieb in seinem Versteck.

Da machte sich der Hausherr daran, den Nagel zu suchen. Vielleicht lag er ja unter dem Tisch. Von wegen! Unter dem Tisch fand der Hausherr nur eine verrostete Gabel, aber keinen Nagel.
Vielleicht war er ja unter den Sessel gerollt. Der Hausherr schob den Sessel beiseite. Von wegen! Unter dem Sessel fand er nur eine schimmlige Brotrinde, aber keinen Nagel.
Vielleicht war er ja unter den Teppich gerutscht. Der Hausherr rollte den Teppich zusammen. Von wegen! Unter dem Teppich entdeckte er nur zertretene Nusschalen, aber keinen Nagel.
Wo, meint ihr, suchte der wütende Hausherr noch nach dem verschwundenen Nagel?
Schließlich dachte der Hausherr: "Ob der Nagel vielleicht unter die Kommode geraten ist?" Er legte sich auf den Bauch und tastete mit der Hand den Boden unter der Kommode ab. Einen Nagel konnte er nicht ertasten, aber plötzlich spürte er einen heftigen Schmerz an einem Finger. Aua! Da sah er eine Katze unter der Kommode hervorschießen, die sich dort versteckt hatte. Das Biest hatte ihn in den Finger gebissen. Und jetzt sprang sie auf einen Stuhl, vom Stuhl auf die Kommode, von der Kommode auf ein Regalbrett, auf dem ein Blumentopf stand. Weil aber hinter dem Blumentopf nicht genug Platz für die dicke Katze war, schob sie den Blumentopf über den Rand des Regalbrettes und der Blumentopf fiel dem wütenden Hausherrn direkt auf den Kopf. Aua! Der heulte vor Schmerz auf und ließ sich in den Sessel fallen. Auf dem Sessel aber lag das Kissen und unter dem Kissen lag der Nagel. Und was machte der? Der stach den wütenden Mann in den Hintern. So ein hinterhältiger Nagel!

Aha, jetzt wusste der Hausherr wenigstens, wo der Nagel steckte. Er holte ihn unter dem Kissen vor und fuhr ihn an: "Na warte, Früchtchen! Du bringst mir mein Haus nicht noch einmal durcheinander! Weißt du, was ich mit dir mache? Ich werde dich so in die Wand klopfen, dass du dich nie mehr wirst herausziehen können, das verspreche ich dir."
Und damit holte er einen Hammer, aber nicht so ein gewöhnliches Hämmerchen. Nein, damit der hinterhältige Nagel sich bestimmt nie mehr aus der Wand ziehen konnte, holte er den großen Vorschlaghammer. Dann schob er den Nagel in das Loch im Putz, wo er schon vorher gesteckt hatte, nahm den schweren Hammer und schlug zu. Aber was machte der hinterhältige Nagel? Der saß ja ganz locker in dem Loch, und als der gute Mann zuschlug, bewegte er sich etwas nach unten, der Hammer schlug zu, aber traf nur die Wand über dem Loch und hinterließ dort eine tiefe Delle. Wütend schlug der Mann gleich wieder zu und zielte dabei etwas weiter nach unten, um den Nagel ganz bestimmt zu treffen. Aber was machte da der hinterhältige Nagel? Er bewegte sich etwas nach oben, und wieder traf der Hammer daneben und schlug unter dem Nagel eine Delle in die Wand. Da griff der Mann mit einer Hand nach dem Nagel, um ihn fest zu halten, und schlug mit der anderen Hand zu. Der Nagel konnte sich zwar jetzt nicht mehr bewegen, aber auch der gute Mann konnte mit einer Hand nicht mehr genau zielen und klopfte sich auf den Finger. Das tat vielleicht weh! Da war der Mann erst richtig wütend. Na warte! sagte er sich, fasste den dicken Vorschlaghammer mit beiden Händen und schlug mit aller Kraft zu. Und was passierte? Der Vorschlaghammer durchschlug die Wand, der Nagel flog nach draußen und landete zwischen Steinbrocken und Putzteilen unten auf der Straße.

Ich weiß nicht, was weiter aus ihm geworden ist, ob er da liegen blieb, ob ihn jemand entdeckte und mitnahm oder was der hinterhältige Nagel sonst noch angestellt hat. Aber eines möchte ich euch raten: Falls ihr irgendwo einen dicken rostigen Nagel seht, lasst den besser liegen. Es könnte der hinterhältige Nagel sein und es könnte euch passieren, dass der euch ganz gewaltig austrickst.
(Aus: Johannes Merkel: Das Krokodil an der Ampel. Zeichnungen: Dieter Malzacher, Berlin 1988)
 

dderya

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Vergangenheit

Der Zirkusbesuch
Johannes Merkel

1.
Was freute sich Robert, als ihn Oma und Opa einluden, eine Zirkusvorstellung zu besuchen. Robert liebte den Zirkus und es gab kaum etwas, womit sie ihm eine größere Freude hätten machen können. Dabei war er noch nie in einer regelrechten Zirkusvorstellung gewesen, Zirkus kannte er nur aus dem Fernsehen. Er wohnte nämlich auf dem Dorf, und auf die Dörfer kommt kein Zirkus. Zum Glück wohnten seine Großeltern in einer Großstadt und, als dort gerade ein weltberühmter Zirkus gastierte, luden sie ihn ein, eine Vorstellung zu besuchen. Aber oft gehen die Dinge anders aus, als man sich das vorstellt. So ging es auch Robert mit dem Zirkusbesuch.
Dazu muss ich euch sagen, dass Roberts Großeltern schon recht alt waren und alte Leute haben eben manchmal ihre Gebrechen. Roberts Opa zum Beispiel hatte Probleme mit dem Hören, aber das wollte er nicht zugeben und weigerte sich, ein Hörgerät zu tragen. "Nein, nein, sowas brauche ich nicht! Was ich hören will, das höre ich schon."
Roberts Oma dagegen hatte schwache Augen und musste deshalb eine dicke Brille tragen. Aber leider war sie auch ziemlich vergesslich. Als sie schon vor dem Zirkuszelt standen, da fiel ihr plötzlich ein: "O Gott, ich habe ja meine Brille zu Hause liegen lassen!" Aber da war nichts mehr zu machen, sie hatten keine Zeit mehr, die vergessene Brille zu holen. Oma musste ohne Brille in den Zirkus gehen.

2.
In der Zirkusvorstellung saß Robert in der Mitte, links neben ihm saß Oma und rechts Opa. Die Vorstellung startete mit einer schmissigen Zirkusmusik und dazu kam der Zirkusdirektor auf einer Giraffe in die Manege geritten, um die Zuschauer zu begrüßen.
Roberts Oma kniff die Augen zusammen, aber ohne Brille sah sie fast nur tanzende Farbflecken. Deshalb fragte sie: „Du, Robert, warum hat denn das Pferd da so einen langen Hals?“
„Oma, das ist doch kein Pferd!" erklärte ihr Robert. „Das ist eine Giraffe! Darauf reitet der Zirkusdirektor, um die Zuschauer zu begrüßen.“
„Du hast Recht!“ meinte die Oma. „Jetzt sehe ich das auch.“

Als der Zirkusdirektor mit der Giraffe schon wieder aus der Manege verschwunden war, da glaubte Roberts Opa doch etwas gehört zu habenund fragte: "Robert, was hast du gesagt?“
Und Robert erklärte ihm: „Opa, ich sagte, das war der Zirkusdirektor, der ritt auf einer Giraffe, um die Zuschauer zu begrüßen.“
Aber Opa schüttelte nur den Kopf: „Warum sagst du mir das? Das habe ich doch selber gesehen!“

3.
Dann startete das eigentliche Programm: Man hörte Walzermusik und zwei Elefanten kamen in die Arena getrottet. Auf einen Pfiff des Dompteurs stellten sie sich auf die Hinterbeine und tanzten Walzer. Und die Zuschauer klatschten im Rhythmus der Musik.

Die Oma kniff wieder die Augen zusammen und fragte: „Du, Robert, warum haben denn diese dicken Männer so lange Nasen?“
„Oma, das sind keine Männer! Das sind Elefanten, die sich auf die Hinterbeine stellen und Walzer tanzen.“
„Du hast Recht!“ meinte die Oma. „Jetzt sehe ich das auch.“

Unter dem Beifall des Publikums waren die Elefanten schon aus der Manege getrottet, da glaubte Roberts Opa doch wieder was gehört zu haben und fragte: "Robert, was hast du gesagt?“
„Opa, ich sagte: Das waren Elefanten! Die stellten sich auf die Hinterbeine und tanzten Walzer.“
Da konnte Opa nur wieder den Kopf schütteln „Warum sagst du mir das? Das habe ich doch selber gesehen!“

Ich nehme an, ihr könnt euch denken, wie sich Robert fühlte. Der kam sich nämlich ganz schön komisch vor. Sollte er jetzt die ganze Vorstellung über der kurzsichtigen Oma jede Nummer erklären und hinterher dem schwerhörigen Opa berichten, was der sowieso schon gesehen hatte? „Nee“, dachte sich Robert, „dazu habe ich keine Lust!“ Jetzt achtet darauf, was er gleich machte.

4.
In der nächsten Nummer kamen zwei Löwen in die Arena gesprungen, hinter ihnen knallte ein Dompteur mit der Peitsche. Die Löwen setzten sich auf Podeste, der Dompteur stellte einen Reifen auf, zündete ihn an und die Löwen sprangen durch den brennenden Reifen.
Die Oma kniff wieder die Augen zusammen und fragte: „Du, Robert, warum zünden die denn diese Katzen an?“
Was glaubt ihr, was Robert jetzt seiner Oma erklärte? Wahrscheinlich meint ihr, er erklärte ihr, das seien gar keine Katzen, sondern Löwen, die durch einen brennenden Reifen springen. Von wegen! „Oma, das sind Löwen. Die haben dem Dompteur einen brennenden Reifen hingestellt und der Dompteur springt durch den Feuerreifen!“
„Du hast Recht!“ meinte die Oma. „Jetzt sehe ich das auch.“

Die Löwen hoben zum Abschluss noch grüßend die Pfoten, und während die Leute klatschten und die Raubtiere aus der Manege liefen, da glaubte Opa doch wieder was gehört zu haben: "Robert, was hast du gesagt?“
„Opa, ich sagte, das waren Löwen, die stellten einen Feuerreifen auf und der Dompteur sprang durch den brennenden Reifen.“
Diesmal konnte sich Opa nur wundern: „Was sagst du mir da? Das hab ich ja gar nicht gesehen.“

5.
In der nächsten Nummer kletterte eine Artistin an einer Strickleiter in die Zirkuskuppel, fasste nach einem Trapez, schwang damit hin und her. Dann ließ sie plötzlich das Trapez los, flog durch die Zirkuskuppel, machte in der Luft einen doppelten Salto. Auf der anderen Seite der Zirkuskuppel griff sie wieder nach einem Trapez und schwang wie zuvor damit hin und her.

Oma blickte in die Kuppel und fragte: „Du, Robert, was fliegt denn da oben für ein komischer Vogel rum?"
"Oma! Das ist kein Vogel, das ist eine Artistin, die reitet auf einem Floh durch die Zirkuskuppel."
„Du hast Recht!“ meinte die Oma. „Jetzt sehe ich das auch.“

Die Artistin war schon wieder in die Manege herunter geklettert, verbeugte sich und die Leute klatschten begeistert, da glaubte Opa doch wieder was gehört zu haben: "Robert, was hast du gesagt?“
„Ich hab gesagt, das war eine Artistin, die auf einem Floh durch die Zirkuskuppel ritt.“
Und wieder konnte sich Opa nur wundern: „Was sagst du mir da? Das hab ich ja gar nicht gesehen.“

6.
Nun kam ein Feuerspucker, der im Stehen auf einem ungesattelten Pferd balancierte. Während das Pferd immer im Kreis durch die Manege ritt, nahm der Feuerschlucker einen Schluck aus der Spiritusflasche, hielt die Lunte vor den Mund und spuckte einen meterlangen Feuerstrahl.

Die Oma versuchte ihm mit den Augen zu folgen und fragte: "Du, Robert, warum hat denn der Kerl so eine lange Zunge?"
"Oma! Das ist keine Zunge. Das ist ein wütender Drache, der durch die Manege tobt und Feuer spuckt."
„Du hast Recht!“ meinte die Oma. „Jetzt sehe ich das auch.“

Der Feuerspucker war schon vom Pferd gesprungen, hatte sich verbeugt und lief mit dem Pferd aus der Manege, da galubte Opa wieder was gehört zu haben und fragte: "Robert, was hast du gesagt?“
„Opa, ich sagte, das war ein wütender Drache, der durch die Manege tobte und Feuer spuckte.“
Und wieder konnte sich Opa nur wundern: „Was sagst du mir da? Das hab ich ja gar nicht gesehen.“

7.
In der nächsten Nummer trat wieder ein Artist mit einem Elefanten auf. Was machte der Elefant vor und was zeigte der Dompteur für ein Kunststück?



Was fragte da wohl die Oma?
("Was treibt der da auf dem Schnauzbart von dem dicken Kerl?")

Und was dachte sich Robert als Antwort aus?
("Das ist ein Artist, der einen Elefanten an den Stoßzähnen hoch stemmt.")

Und was antwortete Robert dem Opa?

So ging das während der ganzen Vorstellung weiter. Was glaubt ihr, welche Nummern noch folgten? Und was flunkerte Robert wohl noch alles seiner Oma und seinem Opa vor?
Zum Beispiel als in einer Nummer ein Schimpanse mit zehn Keulen jonglierte?("Ein Känguruh, das seine zehn Jungen aus dem Beutel holt, sie in die Luft wirft und wieder auffängt."
Oder als zwei Clowns mit dem Einrad über das Hochseil rasten und dabei auf einem Saxofon spielten? ("Zwei fliegende Hunde, die ein Musikstück bellen.")

8.
Als sie nach der Vorstellung aus dem Zirkuszelt traten, meinte Opa zur Oma: „Das ist ja nicht zu glauben, was die heutzutage alles machen im Zirkus! Zu unserer Zeit war das doch anders. Da sprangen doch die Löwen durch die Feuerreifen. Kann es das überhaupt geben, dass der Dompteur durch den brennenden Reifen springt?“
„Doch, doch!“ antwortete die Oma. „Das hab ich doch selbst gesehen!“
„Aber eine Artistin, der auf einem Floh reitet! Das ist doch ganz und gar unmöglich!“ meinte Opa.
„Doch, doch!“ antwortete die Oma. „Das hab ich doch selbst gesehen!“
„Aber ein Feuer spuckender Drache, das ist doch ein Phantasietier, sowas gibt es doch in Wirklichkeit gar nicht!“
„Doch, doch!“ antwortete die Oma. „Das hab ich doch selbst gesehen!“
Und auch alles andere, was ihnen Robert vorgeflunkert hatte, konnte der Opa nicht recht glauben, dabei hatte es die Oma doch mit eigenen Augen gesehen. Was war das denn gleich noch alles?

(Hier lassen sich alle Nummern, auch mit Hilfe der Zuhörenden, in eine zweifelnde Frage des Opas gekleidet, nacheinander wiederholen)

9.
Dass er das Zirkusprogramm ganz anders gesehen hatte als Robert, ließ dem Opa keine Ruhe. Er fürchtete, er würde nicht mehr richtig sehen. Deshalb ging er gleich am nächsten Tag zum Augenarzt und erklärte ihm, dass seine Augen plötzlich erschreckend nachgelassen hätten.
„Wie kommen Sie denn darauf?“ fragte der Augenarzt.
„Na gestern im Zirkus, da hat mein Enkel immer Sachen gesehen, die ich gar nicht sehen konnte. Und meine Frau, die hat das auch gesehen.“
Der Augenarzt fragte den Opa, was er denn im Zirkus nicht sehen konnte.
Und Roberts Opa meinte: „Dass Löwen einen Feuerreifen aufstellten und der Dompteur durch den Reifen sprang, das konnte ich nicht sehen.“
„Na so was!“ grinste der Augenarzt und ließ sich berichten, was Robert noch alles gesehen hatte, aber der Opa nicht sehen konnte. Ihr könnt euch ja denken, was ihm der Opa da noch alles berichtete.

(Auch hier kann man, wieder unter Mithilfe der Zuhörenden, alle erzählten Nummern Revue passieren lassen.)

Dann untersuchte der Augenarzt Opas Sehfähigkeit und stellte fest: „Glückwunsch, mein Lieber! Sie sehen noch erstaunlich gut, und das in Ihrem Alter.“
„Was haben Sie gesagt?“ fragte der Opa.
„Dass Sie noch ganz erstaunlich gut sehen! Aber vielleicht sollten Sie sich mal ein Hörgerät anschaffen.“
„Nein, nein, das ist nicht nötig. Ich höre alles, was ich hören will,“ antwortete der Opa. „Aber ich fürchte, unser Robert braucht eine Brille. Denn der sieht anscheinend Sachen, die es gar nicht gibt.“

[Sprachförderung: Präsenz und Perfekt.
Die einzelnen Nummern lassen sich verlürzen, in anderer Reienfolge erzählen und es können mit den Kindern neue Nummern erfunden werden.]
 

dderya

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Vergangenheit


Geschichte vom verträumten Jungen

Johannes Merkel

1.
Robert ist ein verträumter Junge. Immer stellt er sich Sachen vor, die es gar nicht gibt, aber er ist fest davon überzeugt, dass es sie gibt.
"Robert!" ruft zum Beispiel die Mutter. "Kannst du mir eben mal ein Kilo Mehl, eine Packung Nudeln und ein Paket Klopapier aus dem Supermarkt holen?"
Ja warum denn nicht? Robert nickt. Und schon stellt er sich vor, wie er seinen Heißluftfesselballon klarmacht, die Flamme an der Gasflasche entzündet, wie sich sein Ballon mit heißer Luft füllt und langsam in die Luft schwebt. Unter dem Ballon steht Robert im Korb und lenkt den Ballon Richtung Supermarkt.
Schon sieht er unter sich den Parkplatz des Supermarktes, fährt die Flamme herunter und der Ballon beginnt langsam zu sinken. Aber da erfasst ihn doch plötzlich ein Windstoß, wirbelt den Ballon herum, treibt ihn ab und Robert muss die Flamme wieder voll aufdrehen, um dem Hochhaus gegenüber auszuweichen. Da ist nichts zu machen! Die Windverhältnisse gestatten nicht, auf dem Parkplatz zu landen. Also dreht er ab und fliegt nach Hause zurück.

"Robert, wo hast du die Sachen aus dem Supermarkt?"
"Leider war es unmöglich, dort mit dem Fesselballon zu landen! Vor dem Supermarkt herrschten widrige Windverhältnisse, Wirbelwinde und ein heftiger Auftrieb."
"Was hast du dir denn jetzt schon wieder ausgedacht?"
Und was erzählt ihr Robert?
"Ich kletterte in die Passagiergondel", erzählte er. "Ich drehte die Gasflamme hoch. Die heiße Luft stieg in den Ballon und blähte ihn auf. Der Ballon bekam Fahrt. Der Wind stand goldrichtig in Richtung Supermarkt......"
Und was erzählte ihr Robert weiter über seinen phantastischen Flug im Fesselballon?

2.
"Schon gut! Schon gut!" sagt die Mutter. "Dann gehst du jetzt auf deinen beiden Füßen hin, da stören dich weder Wirbelwinde noch Auftrieb. Verstanden!"
Warum denn nicht? Robert nickt. Und schon legt er sich seine Raketenstiefel an, die bei jedem Auftreten einen Rückstoß erzeugen und den Träger in hohem Bogen in die Luft schleudern. Mit jedem Schritt legt er damit locker einen halben Kilometer zurück. In Riesensprüngen nähert er sich dem Supermarkt. Punktgenau landet er vor dem Eingang. Zu dumm, dass sie genau dort so einen dämlichen Stand aufgebaut haben, an dem sie ein Sonderangebot Geschirr verkaufen. Robert landet mitten im Geschirr. Es kracht, scheppert und splittert. Was bleibt ihm da anderes übrig als seine Raketenstiefel gleich wieder zu starten, um in großen Sprüngen nach Hause zurückzukehren?

"Robert, hast du mir die Sachen aus dem Supermarkt mitgebracht?"
"Wie sollte ich? Wenn sie doch genau auf Zielpunkt einen Verkaufstand hinstellen!"
"Was hast du dir denn jetzt schon wieder ausgedacht?"
Und was erzählt ihr Robert diesmal?
"Ich schnallte mir sofort meine Raketenstiefel an, betätigte die Startzündung und schon machte ich einen Satz in Richtung Supermarkt. Als ich in hohem Bogen wieder auf dem Pflaster landete, löste der Aufprall die nächste Zündung aus. Und ich machte den nächsten Sprung......."
Und was erzählte Robert weiter über seine unglaublichen Riesenschritte mit den Raketenstiefeln?

3.
"So, und jetzt zum allerletzten Mal! Du gehst jetzt auf der Stelle zum Supermarkt! Selbst wenn du durch die Abwässerkanäle robben musst!"
Warum denn nicht? Robert nickt. Auf der Stelle macht er seinen Kanalflitzer startklar, ein hypermodernes Einmann-U-Boot, das sich mühelos durch das öffentliche Kanalsystem manövrieren lässt. Mit 180 Sachen schießt er durch den finsteren Hauptkanal. Die langen Finger seiner Bordscheinwerfer tauchen den Kanal in gleißendes Licht. Ratten huschen erschrocken davon.
An dem mit HW 365 gekennzeichnetem Querkanal bremst er sein Gefährt abrupt ab und schiebt sich in die enge Seitenröhre. Sechsundzwanzig Einleitungen weiter hat er sein Ziel erreicht. Er verankert das Gefährt, indem er die Teleskopfüße gegen die Kanalwand ausfährt und damit das Fahrzeug festklemmt. Er öffnet die Ausstiegsluke und hebt von unten den Kanaldeckel aus dem Rahmen. Vorsichtig streckt er den Kopf aus dem Kanal: Goldrichtig! Genau gegenüber liegt der Liefereingang des Supermarkts. Er steigt aus dem Kanal, läuft rasch rüber und holt ein Kilo Mehl, eine Packung Nudeln und ein Paket Klopapier.
Das dauert keine drei Minuten, da kriecht er schon wieder durch den Kanaldeckel in seinen Kanalflitzer und ab geht es Richtung Heimat.

"Robert, hast du mir die Sachen aus dem Supermarkt mitgebracht?"
"Na klar! Hier sind die Sachen. Mit meinem Kanalflitzer war das doch nur ein Katzensprung!"
"Mit was bitteschön?"
"Diesmal habe ich doch meinen nagelneuen Kanalflitzer genommen."
"Was hast du dir denn jetzt schon wieder ausgedacht?"
Und was erzählte ihr Robert diesmal?
"Ich startete mein Ein-Mann-U-Boot und schon schoss ich durch den finsteren Hauptkanal. Die Scheinwerfer huschten über die glitschigen Kanalwände......"
Und was erzählte Robert weiter über seine aufregende Fahrt mit dem Kanalflitzer?

[Sprachförderung: Bildung des Imperfekts]
 

dderya

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Plural

Die unersättliche Tasche
Johannes Merkel


1.
Was benutzt ihr zum Einkaufen? Einen Korb, eine Tasche oder einen Koffer?
Und wie viel kauft ihr von jedem Artikel, den ihr braucht? Einen oder zwei oder sechs oder zehn?

2.
Früher machte es unser Herr Meier genauso wie andere auch: Er packte die Sachen, die er kaufen wollte, in den Einkaufskorb, schob ihn zur Kasse, bezahlte die Ware und schob sie dann in die Einkaufstüte, die er dafür mitgebracht hatte. Doch dann fand er diese wunderbare Tasche, und seitdem lief alles anders.
Die Tasche lag eines Morgens im Flur vor seiner Wohnungstür und Meier hatte sich gleich in sie verguckt. Er hob sie auf, betrachtete sie und er fand sie nicht nur schön, sondern auch ausgesprochen praktisch: Eine buntbestickte Stofftasche mit einem stabilen Tragegurt, eine breite Klappe, die die Öffnung oben verschloss, so dass nichts herausfallen konnte, selbst man sich bücken musste, das Ganze sauber aus einem unverwüstlichen Stoff gearbeitet. Was Meier allerdings erst entdeckte, als er damit einkaufen ging: Diese Tasche war nie zu klein. Selbst wenn man sie bis obenhin vollstopfte, konnte man immer noch was reinschieben. Dann beulte sich der Stoff einfach etwas mehr aus und schon passte noch eine Flasche oder noch zwei Beutel Obst hinein.
Meier nahm an, die Tasche gehöre einem seiner Nachbarn, darum ging er von Wohnung zu Wohnung und fragte, ob sie eine Tasche verloren hätten. Aber alle schüttelten nur den Kopf. Meier überlegte, ob er sie beim Fundamt abgeben sollte. Aber nein, das fand er doch übertrieben, lieber behielt er sie, um sie selbst als Einkaufstasche zu benutzen.
Seitdem sah man unsern Herrn Meier nur noch mit seiner geliebten Tasche einkaufen gehen. Selbst zum Aussuchen der Artikel benutzte er keinen Einkaufswagen mehr. Er hatte seine Tasche um die Schultern hängen und packte alle Artikel rein, die er einkaufen wollte. An der Kasse holte er sie dann alle wieder aus der Tasche, legte sie auf den Tresen, zahlte und schob sie in die Tasche zurück.

3.
Am ersten Tag lief das wie so viele Tage zuvor: Wie immer hatte sich Meier einen Einkaufszettel geschrieben, griff sich die benötigten Artikel aus den Regalen, schob sie in seine neue Tasche, zahlte an der Kasse und ging zufrieden nach Haus. Was sag ich? Mehr als zufrieden. Immer wieder strich er auf dem Heimweg mit der Hand über den samtweichen Stoff der neuen Tasche und freute sich über seinen glücklichen Fund.
Doch schon am nächsten Tag lief alles anders. Ganz oben auf dem Einkaufszettel liest er: Ein Glas Gurken. Also greift er im Regal mit den Gemüsekonserven nach einem Gurkenglas. Da hört er plötzlich eine Stimme: „Zwei Gläser! Zwei Gläser!“
Er schaut sich um. Aber seltsam, da ist niemand neben oder hinter ihm. Und doch hört er schon wieder diese Stimme: „Zwei Gläser! Zwei Gläser!“
Er greift nach einem zweiten Gurkenglas und schiebt es in seine Tasche. Und siehe da, es ist nichts mehr zu hören.
Na ja, denkt er, ist ja vielleicht nicht so verkehrt, schließlich liebt er eingelegte Gurken, das erste Glas würde schon bald alle sein.
Was hat er jetzt noch auf dem Einkaufszettel? Eine Flasche Milch. Er greift nach einer Milchflasche und was hört er da schon neben sich?
„Zwei Flaschen! Zwei Flaschen!“
Was ist denn heute nur los? Er schießt herum, aber hinter ihm steht nur eine Oma, die die Molkereiprodukte im Regal studiert. Sie aber kann nicht geredet haben, sie steht mit zugeschniffenen Lippen da, trotzdem hört er schon wieder neben sich kreischen: „Zwei Flaschen! Zwei Flaschen!“
Er nimmmt eine zweite Flasche aus dem Regal und lauscht. Nichts mehr zu hören!
Was stand da als Nächstes auf seinem Zettel? Ein Küchentuch. Er sucht sich ein rot-kariertes aus und schiebt es in die Einkaufstasche. Und was hört er schon wieder?
„Zwei Tücher! Zwei Tücher!“
Nein, das ist Unsinn, ein Tuch ist erst einmal genug. Beim Weitergehen aber zetert und keift es neben ihm: „Zwei Tücher! Zwei Tücher!“
Diesmal hat er ganz genau gelauscht, jetzt ist er sich sicher: Die Stimme kommt aus seiner Tasche. Er klappt die Tasche auf und was sieht er? Da liegen friedlich zwei Gurkengläser, zwei Flaschen Milch und ein Küchentuch. Er hebt sie aus der Tasche, um nachzusehen, ob sich vielleicht da drunter irgendwas versteckt, was reden kann, vielleicht ein Lautsprecher oder ein Handy. Aber da ist rein gar nichts. Er verstaut seine Sache wieder in der Tasche und will weitergehen, da krächzt und keift es noch aufdringlicher: „Zwei Tücher! Zwei Tücher!“
War das wirklich seine Tasche, die dieses aufdringliche Geschrei anstimmte? Er greift sich ein zweites Wischtuch und schiebt es in die Tasche. Er horcht. Tatsächlich: Kein Ton mehr zu hören!
Da ist nichts daran zu rütteln: Es ist seine neue Tasche, die verrückt spielt. Und so geht das jetzt den ganzen Einkauf. Sobald er nach einem Artikel greift, zetert es neben ihm, er soll zwei davon mitnehmen. Sobald er das tut, ist sie zufrieden.
Zum Schluss kommt er noch an dem Zeitungsstand vorbei, wo er jeden Morgen seine Zeitung mitnimmt. Und was muss er wieder hören?
„Zwei Zeitungen! Zwei Zeitungen!“
Alles, was Recht ist, denkt er sich. Zwei Flaschen Milch okay, damit brauche ich morgen keine Milch zu kaufen. Auch das zweite Wischtuch werde ich früher oder später brauchen können. Aber eine zweite Zeitung, in der das Gleiche steht wie in der ersten? Außerdem ist schon morgen alles von gestern, was sie darin schreiben. „Kommt ja gar nicht in die Tüte!“ denkt er sich und will weitergehen. Aber was muss er da hören?
„Zwei Zeitungen! Zwei Zeitungen!“
Und das auch noch so aufdringlich und laut, dass sich schon der ganze Supermarktnach ihm umblickt. Und hinter ihm schimpft ein älterer Herr: „Können Sie Ihrem Bengel nicht etwas Benehmen beibringen?“
Meier hasst es Aufsehen zu erregen. Was bleibt ihm da anderes übrig als eine zweite Zeitung mitzunehmen. Nun ja, sie kostet auch ja nicht die Welt.
Was hat wer denn noch alles auf seinem Einkaufszettel stehen?
Dose Bohnen
Salatkopf
Melone
Packung Erdnüsse
Weißbrot
Schachtel Teebeutel
Rolle Plastikfolie
Becher Sahne
Hartwurst
Tüte Bonbons
Und jedes Mal zetert ihm die Tasche die Ohren voll, bis er gleich zwei davon mitnimmt. Was soll er machen? Als Mensch, der am liebesten seine Ruhe hat, tut er ihr eben den Gefallen.
Am Schluss will er sich wie gewohnt noch ein Kilo Bananen mitnehmen. Und damit die Tasche nicht gleich wieder loskräht, packt er vorsichtshalber gleich zwei Kilo ein. Aber was muss er da hören? „Vier Kilo Bananen! Vier Kilo Bananen!“

4.
Im Grunde genommen fand es Meier gar nicht so verkehrt, dass er alle Artikel doppelt eingekauft hatte. Immerhin konnte er ja alles brauchen Nur was er mit den vielen Bananen anfangen sollte, war ihm nicht recht klar. In jedem Fall brauchte er morgen außer der Zeitung nichts weiter einzukaufen. Und die Zeitung, die würde er sich eben diesmal ohne seine vorlaute Einkaufstasche besorgen.
Aber schon am nächsten Morgen erlebte er die nächste Überraschung. Als er in die Küche kam, trat er auf eine angebissene Gurke. Das Glas Einleggurken entdeckte er zerbrochen im Abguss und die Gurken lagen zwischen den Scherben herum. Auf einem Stuhl lagen die Schalen einer ausgefressenen Melone. Von der Hartwurst war nur noch ein angeknabbertes Reststück auf dem Küchentresen zu finden. Und die vier Kilo Bananen waren komplett verschwunden. Die Bananenschalen entdeckte er schließlich auf seinem Couchtisch in der zerknüllten Zeitung.
Unser Herr Meier erschrak: Das sah doch ganz nach einem Einbruch aus! Er untersuchte die Schlösser der Wohnungstür, sie waren alle intakt. Durch das Fenster konnte der Einbrecher auch nicht eingestiegen sein, schließlich wohnte Meier im fünften Stock. Er untersuchte die Schreibtischschublade, in der seine Wertsachen verwahrte: Es fehlte nichts. Die hätte sich doch ein Dieb als erstes gegriffen. Ob er vielleicht selbst im Traum durch die Wohnung gewandelt war und die Sachen gefuttert hatte?
Meier schüttelte nur den Kopf, nahm seine Einkaufstasche vom Haken und ging die verschwundenen Sachen nachkaufen.
Einträchtig stapften die beiden zum Supermarkt. Aber da erlebte Herr Meyer die nächste Überraschung. Nicht nur dass die Tasche gleich wieder krähte:
„Zwei Gläser! Zwei Flaschen! Zwei Beutel!“
Die fing an nach Artikeln zu schreien, die er gar nicht auf seiner Einkaufsliste hatte. Das sah dann so aus: Er wollte nur gerade mal aus dem Drogeriewarenregal einen Wattebeutel mitnehmen. Und natürlich hörte er gleich: „Zwei Beutel! Zwei Beutel!“
Na gut, irgendwann kann man auch einen zweiten Wattebeutel brauchen.
Aber dann lag da daneben eine rot-blau getönte Bürste. Und was musste er hören? „Zwei Haarbürsten! Zwei Haarbürsten!“
Eine Haarbürste brauchte er nun wirklich nicht. Und schon gar nicht zwei, schließlich hat unser Herr Meier eine Glatze, auf der sich gerade noch drei Haarsträhnen langweilen. Aber da war nichts zu machen. Um sich das Geschrei vom Hals zu schaffen, schob er wütend zwei nutzlose Haarbürsten in die Tasche.
Und so ging das in einer Tour. Stets entdeckte seine Tasche noch etwas, was sie unbedingt haben musste, und natürlich immer in zweifacher Ausführung. Könnt ihr euch denken, was diese aufdringliche Tasche ihn alles mitzunehmen zwang?
Am Ende war die Tasche proppenvoll und unser Herr Meier schnaufte, als er sie zur Kasse schleppte.

5.
Und was glaubt ihr, erlebte unser Herr Meier, als er am nächsten Morgen aufstand? Im Flur flog das Staniolpapier einer Tafel Schokolade herum. Am Küchenboden lag eine Packung Mehl verstreut. Die Bananen waren wieder restlos aufgefuttert. Und dann entdeckte er zwischen dem verstreuten Mehl deutlich den Abdruck einer Hand. Aber komisch, sie war ganz schmal, das konnte nicht die Hand eines erwachsenen Menschen sein, eher wirkte sie schon wie eine Kinderhand.
Meier beschloss, sich in der nächsten Nacht auf die Lauer zu legen. Aber erst einmal entschied er, die verschwundenen Sachen nachkaufen. Als er aber nach dem Gurt der Tasche griff, erwischte er den Stoff der Tasche und dabei kam es ihm vor, als ob etwas knisterte. Ob er sich das eingebildet hatte? Er fingerte nun die Tasche ganz genau ab und kein Zweifel, es knisterte deutlich, sobald er die Stofftasche zusammenknautschte. Aufgeregt untersuchte er die Tasche: Es fühlte sich an, als ob ein Papier im inneren Futter steckte. Mit einer Schere schnitt er das Futter auf und zog einen zusammengefalteten Bogen Papier heraus.
Er klappte ihn auf und las: „Wer immer du bist, der diese Zeilen findet, du bist ein Glückspilz. Was du in den Händen hältst ist das Testament eines alten Mannes, der bald ohne Nachkommen sterben wird und dir sein Haus und alle seine Habe vermacht.
Unter einer Bedingung: Wo immer du die Tasche mit dieser Nachricht gefunden hast, wisse, dass sich auch mein geliebtes Äffchen in seiner Nähe aufhält. Sorge für das gute Tier, das die Freude meines Alters war.“
Ahnt ihr jetzt, wer heimlich Meiers Sachen gefuttert hatte? Meier begann die Wohnung durchzusuchen und fand in einem Winkel seiner Besenkammer ein verängstigtes Äffchen. Er redete ihm gut zu, da kam das Tierchen heraus und wurde ganz zutraulich.
Dann ging Meier mit dem Testament aufs Erbschaftsgericht und erbte tatsächlich ein geräumiges Haus. Dort richtete er sich ein und lebte mit dem putzigen Äffchen. Und natürlich ging er niemals mehr ohne die traumhafte Tasche einkaufen, die ihm solches Glück gebracht hatte. Die Tasche musste ihn auch nicht mehr auffordern, alles zweitfach einzukaufen, das machte er ja sowieso, schließlich musste er doch sein Äffchen versorgen. Nur die Bananen, die kaufte er jetzt gleich kistenweise. Aber falls er doch einmal vergessen sollte, eine doppelte Portion mitzunehmen, würde ihn ja auch seine Tasche daran erinnern und gleich wieder krähen: „Zwei Dosen!“ Oder: „Zwei Gläser!“

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dderya

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V.I.P
Geschichten, die grammatische Regeln vermitteln
Plural

Die Wunderhand
Johannes Merkel

1.
Ihr wisst ja sicher, was „schwanger sein“ bedeutet? Das bedeutet, dass eine Frau ein Kind im Bauch trägt.
Meine Geschichte handelt von einer schwangeren Frau, die im Zug fuhr, um ihre Tante zu besuchen. Im Zugabteil saß ihr gegenüber eine uralte Dame, die hatte tausend Falten im Gesicht. Sie betrachtete die schwangere Frau und fragte sie plötzlich: „Möchten Sie, dass Ihr Kind was ganz Besonderes wird?“
Welche Mama will denn nicht, dass ihr Kind was Besonderes wird? Die Schwangere nickte. Da sagte die alte Dame: „Ihr Kind wird eine Wunderhand bekommen.“
„Wie bitte?“ fragte die Frau. „Was meinen Sie damit?“
„Alle Dinge, die Ihr Kind mit der bloßen linken Hand berühren wird, werden sich auf der Stelle verdoppeln. Merken Sie sich das! Mit der bloßen linken Hand!“
Bevor die Schwangere noch einmal nachfragen konnte, war die komische Alte verschwunden, als hätte sie sich in Luft aufgelöst. Da merkte die schwangere Frau, dass das keine gewöhnliche Frau war. Sie dachte: „Mal sehen, ob mein Kidn was Besoneres wird.“ Aber sie erzählte niemandem von der alten Dame, und was sie ihr im Zug gesagt hatte. Und bald hatte sie es selber schon fast vergessen.

2.
Drei Monate später brachte diese Frau einen gesunden Jungen zur Welt. Sie freute sich, nahm das Baby in den Arm und streichelte es. Da fiel ihr die Alte im Zug wieder ein. Sie nahm eine Rassel und hielt sie dem Baby hin. Das Baby erwischte sie mit der rechten Hand. Und was passierte? Nichts. „Na siehst du!“ sagte sie sich. „Die komische Alte hat doch nur Quatsch erzählt!“
Könnt ihr euch denken, warum nichts passierte?
Dann aber patschte das Baby mit der linken Hand auf die Rassel. Und was hatte es plötzlich in der Hand? Zwei Rasseln. Da wusste die Mama, dass die Alte im Zug doch keinen Quatsch erzählt hatte.
„Wunderbar!“ dachte die junge Mutter. „Da kann ich mir ja einfach alles, was ich für das Baby brauche, verdoppeln lassen und muss es nur einmal kaufen.“
Das war wirklich praktisch: Sie kaufte sich immer nur ein Exemplar von allem, was sie brauchte, ließ es von ihrem Baby betatschen und schon stand ein zweites Exemplar vor ihr. Wenn sie zum Beispiel ein Glas Babybrei brauchte, hielt sie sein Händchen an das Glas, und was passierte? Plötzlich stand da ein zweites Glas Babybrei, das sie aufwärmte, um ihn zu füttern.
Ihr könnt euch ja denken, was sie für das Baby alles brauchte und von ihm verdoppeln ließ.

3.
Solange der Junge ein Baby war, ging alles gut. Er konnte ja nur anfassen, was ihm die Mutter zum Anfassen gab. Aber dann wurde der Junge größer und lernte laufen. Da lief er von der Mutter weg und wie alle kleinen Kinder fing er an, alles zu betatschen. Wenn die Mutter zum Beispiel gerade in der Küche beschäftigt war, richtete sich der Junge auf und lief einige Schritte. Weil er aber noch nicht so gut laufen konnte, torkelte er bald und hielt sich im letzten Moment mit beiden Händen an der Stehlampe fest. Und was passierte? Plötzlich standen da zwei Stehlampen. Dann ließ er die Stehlampe los, lief wieder ein paar Schritte, torkelte und hielt sich im letzten Moment an den Tischbeinen fest. Und was passierte? Plötzlich standen da zwei Tische. Dann lief er wieder los, erwischte einen Stuhl, um sich daran festzuhalten. Und was stand da? Zwei Stühle.
Was staunte die Mutter, als sie wieder nach ihrem Jungen sah! Sie dachte sich: „Das kommt mir gerade recht!“ Sie hatte nur einen Stuhl gehabt, jetzt standen da fünf Stühle. Und einen zweiten Tisch und eine zweite Stehlampe konnte sie doch auch gut gebrauchen. Darum ließ sie ihren Jungen anfassen, was er anfassen wollte. Ihr könnt euch ausmalen, was der Junge in der Wohnung noch alles antatschte und dabei verdoppelte.
Aber bald wurde es ungemütlich in der Wohnung. Da standen inzwischen 23 Stühle herum, 17 Stehlampen, sechs Eckbänke, die die Frau bis zur Decke übereinander gestellt hatte, damit sie überhaupt noch das Zimmer betreten konnte. An der Wand waren acht Sofas übereinander gestapelt, drei Tische standen einer auf dem andern, und so weiter. An einem Tisch zu essen, daran war nicht mehr zu denken, die Frau musste sich dran gewöhnen, sich unter den Tisch zu setzen.
Schließlich musste sie sogar auf allen Vieren in ihre Wohnung kriechen. So konnte das nicht weitergehen! Inzwischen war es Winter geworden und um rauszugehen, zog sie ihrem Jungen Handschuhe an. Und dabei beobachtete sie eines Tages, wie er mit dem Handschuh der linken Hand eine Tasche anfasste, und was passierte? Gar nichts, es blieb bei einer einzigen Tasche. Der Stoff zwischen seiner Hand und den Sachen, die sie berürhte, verhinderte, dass sich die Sachen verdoppelten. Von da an zog sie dem Jungen immer einen dicken Handschuh über die Wunderhand, damit er keine unerwünschten Wunder mehr anrichten konnte, und das nicht nur im Winter, sondern auch im Sommer.

4.
Aber welches Kind möchte denn den ganzen Tag einen Handschuh tragen? Vor allem im Sommer, wenn es heiß wird und man unter dem Handschuh schwitzt? Aber die Mutter achtete immer sehr genau darauf, dass er seinen Handschuh an der linken Hand trug. Und wenn sie gefragt wurde, warum der arme Junge bei der Hitze mit einem Handschuh herumlaufen müsse, dann behauptete sie, wegen einem Anschlag an der Hand. Aber manchmal achtete sie einen Moment lang nicht darauf, und dann passierte es.
Zum Beispiel stand sie eines Tages mit dem Kind an einer Ampel, um zu warten, dass es grün wurde. Was musste sie da sehen? Der Junge hatte sich den lästigen Handschuh ausgezogen und tatschte mit der linken Hand gegen den Pfosten, an dem die Ampel angebracht war. Plötzlich standen da zwei Ampelpfosten.
Oder sie wartete mit ihm an einer Bushaltestelle. Der Bus hält, der Junge läuft hin und tatscht auf die Tür. Plötzlich standen da zwei Busse. Der Busfahrer, der gerade vor dem Bus stand, war ganz verwirrt. Er wusste nicht mehr, in welchen Bus er einsteigen sollte. Damit sie keine Schererein bekam, nahm sie ihr Wunderkind ganz schnell an der Hand und verschwand mit ihm.
Und das war nicht das einzige Mal, dass der Junge sie in verrückte Situationen brachte. Ihr könnt euch denken, was der guten Frau mit ihrem Wunderkind noch alles passierte.

5.
„Mein Gott, was wird er mir noch alles anrichten?“ dachte die Mutter und von da an band sie ihm den Handschuh so fest, dass er ihn nicht mehr allein ausziehen konnte. Aber es tat ihr ja auch leid, dass der Junge ständig mit einem Handschuh herumlaufen musste. Sie überlegte, wo er den Handschuh ausziehen könnte, ohne mit seiner Wunderhand etwas anzurichten. Und da kam ihr eine gute Idee.
Sie ging zu einem Kaufhaus und fragte nach dem Direktor. Dem erklärte sie: „Mein Sohn hat eine Wunderhand, Damit kann er Waren , die Sie im Kaufhaus führen, verdoppeln.“
Der Direktor dachte natürlich, sie würde ihn verkohlen, aber als sie dem Jungen den linken Handschuh auszog, kam er aus dem Staunen nicht heraus. Er bot ihr sofort einen Tausender für jeden Tag, an dem sie ihm den Jungen mit der Wunderhand überlassen würde. Allerdings nur unter der Bedingung, dass sie niemandem davon erzählte.
Ahnt ihr, was der Kaufhausdirektor vorhatte? „Wunderbar! Ich werde ihm Geldscheine in die Hand geben. Die soll er mir verdoppeln, dann kann ich mir das ganze Kaufhaus und den Ärger mit den faulen Angestellten sparen. Ich mache die Bude dicht und werde trotzdem stinkreich!“
Als er dann mit dem Jungen allein war, hielt er ihm einen Tausend-Euro-Schein hin. Der Junge musste ihn mit seiner Wunderhand anfassen. Und was passierte? Nichts. Geldscheine sind nämlich keine normalen Gegenstände. Offenbar hatte die Alte im Zug nicht gewollt, dass der Junge auch Geldscheine verdoppeln konnte.
„Na schön!“ dachte ich der Kaufhausdirektor. „Dann muss er mir eben die Waren verdoppeln. Ich krieg sie fast umsonst, und dabei werde ich auch stinkreich.“
Von da an brachte die Mutter ihren Jungen jeden Morgen für drei Stunden ins Kaufhaus, damit er alles verdoppelte, was ihm hingestellt wurde. Und das war eine ganze Menge. Was glaubt ihr, was sie ihm da alles zum Verdoppeln brachten?

6.
Jeden Morgen im Kaufhaus herumstehen und anfassen, was ihm hingestellt wurde, das war natürlich stinklangweilig! Und wenn er endlich aus dem Kaufhaus rauskam, musste er im Sommer wie im Winter wieder den linken Handschuh tragen, das war kaum zum Aushalten! Und eines Tages hatte der Junge die blöde Anfasserei restlos satt. Er schützte vor, aufs Klo gehen zu müssen, aber das stimmte gar nicht, er wollte einfach nichts mehr anfassen müssen. Im Klo setzte er sich auf den geschlossenen Klodeckel und heulte. Plötzlich stand eine seltsame alte Dame vor ihm, die hatte tausend Falten im Gesicht und fragte: „Na Junge, was heulst du denn so hemmungslos?“
„Ist das vielleicht nicht zum Heulen?“ jammerte der Junge. „Den ganzen Tag muss ich im Kaufhaus blödes Zeug antatschen und, wenn ich raus komm, muss ich einen blöden Handschuh tragen!“
Da meinte die alte Dame: „Na sowas! Daran habe ich ja gar nicht gedacht. Dann machen wir das eben anders! In Zukunft sollen sich Sachen, die du anfasst nur noch verdoppeln, wenn du einen Spruch dazu sagst. Aber den merk dir gut! Handzauberei, aus eins mach zwei!“ Und damit verschwand Alte.
Der Junge ging brav zurück und betatschte alles, was man anschleppte. Was glaubt ihr, brachten sie ihm jetzt alles zum Anfassen?
Aber was passierte? Nichts, überhaupt nichts mehr. Denn der Junge hütete sich, den Zauberspruch dazu zu sagen. Da war der Kaufhausdirektor sauer und schickte ihn nach Hause.
Seitdem konnte der Junge alles anfassen, ohne dass es sich gleich verdoppelte, und einen Handschuh musste er auch nicht mehr tragen. Denn Sachen, die er anfasste, verdoppelten sich nur noch, wenn er seinen Spruch dazu sagte. Wisst ihr noch, wie der Zauberspruch lautete? Und von da an verdoppelte er nur noch Sachen, die er selber für sich oder seine Freunde brauchte. Aber das machte er im Geheimen und verriet niemanden auch nur ein Sterbenswörtchen von seiner Wundergabe.

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Adjektive

Die Wunschkiste
Johannes Merkel

1.
Es war einmal ein Mädchen, das hieß Sara und sie wohnte mit ihren Eltern in einem alten Haus mit vielen Mietparteien. Nur oben im Dachboden wohnte niemand und Sara wollte gar zu gerne wissen, wie es da droben wohl ausschaute. Aber als sie den Hausmeister fragte, ob sie sich vielleicht mal auf dem Dachboden umschauen darf, meinte der nur: "Was willst du dort oben? Da steht eine Menge Gerümpel herum, alles ist staubig und du machst dich nur schmutzig." Aber ohne ihn kam sie nicht in den Dachboden, denn die Tür, die dort hinaufführte, schloss er immer sorgfältig ab.
Eines Tages trat sie unten im Hauseingang auf einen Schlüsselbund. "Der sieht mir doch nach dem Schlüsselbund des Hausmeisters aus," dachte sie und hob ihn auf. Sie schlich sich zum Dachboden, steckte einen Schlüssel nach dem andern ins Schloss, und tatsächlich, einer passte, die Tür sprang auf. Sie ging durch die Tür und schloss sie von innen wieder ab.
Der Dachboden war wirklich mit altem Gerümpel vollgestellt, auf denen eine dicke Staubschicht lag. Während sie herumlief und alles anschaute, hörte sie plötzlich eine weinerliche Stimme: "Lass mich raus! Lass mich raus!.”
Sie erschrak. Wer konnte da geredet haben? Sie blickte um sich, aber da war niemand zu sehen. Und doch hörte sie wieder diese weinerliche Stimme: "Lass mich raus! Lass mich raus!”
"Wer redet denn da?" fragte sie.
Die Stimme antwortete: "Na wer schon? Ich natürlich! Mach doch bitte den Deckel auf und lass mich raus!"
Tatsächlich stand sie vor einer verstaubten Holzkiste, und jetzt bemerkte sie, dass die seltsame Stimme aus dieser Kiste kam.
„Und warum hockst du in einer Kiste?“
„Ein Versehen, ein reines Versehen! Ich schlafe, da schleicht dieser Trottel von Hausmeister vorbei und klappt den Deckel über mir zu!“
Die alte Kiste war vielleicht einen Meter lang und grad halb so breit. Ein erwachsener Mensch passte da bestimmt nicht rein. Aber wer konnte es sonst sein?
"Wer bist du überhaupt? Ein Kind? Oder ein Tier, oder was?"
"Mach auf! Dann siehst du, wer ich bin?"
Da hob Sara ganz vorsichtig den Deckel etwas hoch und staunte: Die Kiste war leer. Aber gleich hörte sie wieder die Stimme: "Ich danke dir, meine Liebe! Hättest du jetzt auch noch die Güte, mir das Dachfenster aufzumachen?“
"Ich denk nicht dran!" protestierte Sara. "Erst sagt du mir, wer du bist!"
"Sperr doch die Augen auf! Wen siehst du?"
"Niemand. Bist du vielleicht ein Geist?"
"Na bitte!"
"Ein guter oder ein gemeiner Geist?"
"Herzensgut! Ehrlich! Ich schenk dir auch was, wenn du mir nun auch das Fenster aufmachst."
"Was denn?"
"Diese traumhafte Kiste.“
„Das schmuddelige Teil? Nein danke! Die will ich noch nicht mal geschenkt!“
„Hör dir das an! Diese Göre schlägt eine Wunschkiste in den Wind! Du liebst doch flotte Klamotten. Hab ich Recht?“
„Na und?“ meinte das Mädchen.
„Meine Zauberkraft steckt in der Kiste. Du kannst dir damit neue Klamotten wünschen. Na, ist das was? So, und jetzt mach mir endlich das Dachfenster auf!“
"Nein! Das mach ich erst, wenn du mir verrätst, wie das mit dem Klamottenwünschen geht!"
"Also, dann sperr die Ohren auf! Du sagst einfach: Ich wünsche. Dann sagst du, wem du was wünscht. Und dann sagst du, was für Klamotten du wünscht und wie das Gewünschte aussehen soll. Die Kiste muss ganz genau wissen, was du haben möchtest. Und dann klappst du die Kiste auf und findest, was du wünscht. Was quatsch ich hier noch herum? Mach das Fenster auf!"
Das Mädchen öffnete das Dachfenster, und hui! schoss ein kalter Luftzug durch die Fensteröffnung nach draußen.
Sara klemmte sich die alte Kiste unter den Arm, öffnete vorsichtig die Dachbodentür und horchte. Im Treppenhaus war nichts zu hören! Sie schloss die Dachbodentür sorgfältig wieder ab, schlich sich in den Keller und stellte die Kiste in das Kellerteil, das zu ihrer Wohnung gehörte. Den Schlüsselbund aber legte sie genau an die Stelle im Hausflur, wo sie ihn gefunden hatte.

2.
Und was glaubt ihr, machte sie mit ihrer Wunschkiste? Na klar, sie schlich sich in den Keller und probierte aus, ob die Kiste wirklich Wünsche erfüllte. Sie stellte sich vor die Kiste und sagte: "Bitte, ich hätte jetzt gerne ein T-Shirt." Und dann riss sie gleich den Deckel auf, aber die Kiste war leer.
Plötzlich hörte sie eine tiefe Stimme: "Falsche Eingabe! Auftrag verweigert!"
Sie erschrak. Davon, dass die Kiste quatschte, hatte der Geist nichts gesagt. "ich fürchte, der hat mich angeschmiert," dachte sie. Oder hatte sie vielleicht etwas falsch gemacht? Was hatte der Geist gesagt? Sie sollte der Kiste doch sagen, wem sie das wünscht, und dann genau beschreiben, wie die gewünschten Klamotten aussehen sollten.
Sie probierte es noch einmal. Sie stellte sich vor der Kiste auf, und was sagte sie jetzt? "Ich wünsche mir ein T-Shirt."
Und was musste sie wieder hören? "Falsche Eingabe! Auftrag verweigert!"
Hatte sie wieder was falsch gemacht? Natürlich, sie sollte es doch genauer beschreiben!
Also zum dritten Mal: "Ich wünsche mir ein gelbes T-Shirt."
Da wackelte die Kiste und die Stimme sagte: „Auftrag ergänzen! Einfarbig oder gestreift?“
Achso! „Ich wünsche mir ein einfarbiges gelbes T-Shirt.“
„Auftrag weiter ergänzen! Eng oder weit?“
Ja, was denn noch alles? Das Mädchen wurde schon ganz ungeduldig. „Ich wünsche mir ein enges einfarbiges gelbes T-Shirt.“
„Ein enges einfarbiges gelbes T-Shirt? Auftrag bestätigen!“
Was sagte da das Mädchen? “Jawohl, ich wünsche mir ein enges einfarbiges gelbes T-Shirt.“
Es rappelte und klapperte in der Kiste und, als sie still stand, kam aus der Kiste: "Auftrag erledigt!“
Aufgeregt hob das Mädchen den Deckel hoch und was lag da in der Kiste? Ein enges einfarbiges gelbes T-Shirt! Genauso, wie sie sich die Bluse vorgestellt hatte.
Jetzt wusste das Mädchen, wie man sich mit der Wunschkiste Wünsche erfüllte. Und es hatte noch eine Menge Wünsche. Was wünschte sie sich wohl noch? Und wie drückte sie sich dabei aus, damit die Kiste ihre Wünsche auch erfüllte?

Von da an hatte das Mädchen auffallend schicke Sachen an. Das fiel natürlich zu allererst ihrer besten Freundin auf. Die fragte sie: „Woher hast du bloß auf einmal diese schicken Sachen?“
„Ach, das ist ein Geheimnis!“ meinte Sara. Aber die Freundin löcherte sie damit immer wieder. Und weil es ihre beste Freundin war, erzählte ihr Sara schließlich von der Wunschkiste, die ihr der Geist auf dem Dachboden überlassen hatte.
Da wollte sich die Freundin natürlich auch was Schickes aus der Kiste wünschen. Aber ob die Wunschkiste auch die Wünsche ihrer Freundin erfüllte? Um es auszuprobieren, stiegen sie beide in den Keller. Die Freundin stellte sich vor der Kiste auf und wünschte ein Paar nagelneue Jeans.
Aber was sagte die Kiste? „Falsche Eingabe! Auftrag verweigert!“
Offenbar hörte die Wunschkiste nicht auf die Freundin. Darum schob Sara die Freundin beiseite und sagte: „Ich wünsche meiner Freundin ein Paar nagelneue Jeans.“
Und was machte die Kiste? Sie wackelte und die Stimme sagte: „Auftrag ergänzen! Welche Farbe?“
„Schwarz“, flüsterte die Freundin und das Mädchen sagte laut: „Ein Paar nagelneue schwarze Jeans.“
„Auftrag weiter ergänzen!“
„Mit Blumen bestickt,“ flüsterte die Freundin. Und was sagte das Mädchen zur Kiste? „Ein Paar nagelneue schwarze und mit Blumen bestickte Jeans?“
„Ein Paar nagelneue schwarze und mit Blumen bestickte Jeans. Für deine Freundin. Auftrag bestätigen!“
„Richtig!" bestätigte Sara. "Ich wünsche mir für meine Freundin ein Paar nagelneue schwarze und mit Blumen bestickte Jeans.“
Es rappelte und klapperte in der Kiste. Die Stimme sagte: "Auftrag ordnungsgemäß erfüllt!“
Und als sie den Deckel der Kiste öffneten, lag da tatsächlich ein Paar nagelneue schwarze und mit Blumen bestickte Jeans.
Von da an hatte auch ihre Freundin immer so schicke Sachen an, denn nun wünschte Sara sich immer für sich und ihre Freundin, was sie gerne anziehen wollten. Was wünschten sich wohl die beiden Mädchen? Und was mussten sie sagen, damit diese Wünsche von der Kiste erfüllt wurden?
Als Saras Bruder Geburtstag hatte, wünschte sie auch für ihn was Schickes zum Anziehen. Was glaubt ihr, wünschte sie sich für den Bruder? Und was musste sie zur Kiste sagen, um es zu bekommen?

3.
Weil der Hausmeister unten im Erdgeschoß gleich neben dem Hauseingang wohnte, bekam er immer mit, wer zum Haus rein- und rausging. Und dabei fiel ihm auf, dass die beiden Freundinnen mit alten Sachen in den Keller hinunterstiegen und mit neuen Sachen wieder hochkamen. Das kam ihm verdächtig vor. Und als die beiden wieder einmal im Keller verschwanden, beobachtete er sie vom Hof aus durch ein Kellerfensterchen. Und was sah er? Die Mädchen äußerten einen Wunsch und holten sich nagelneue Klamotten aus einer alten Kiste! Na warte! Dem würde er schon auf die Spur kommen! Kaum waren die Mädchen gegangen, läutete er an der Wohnung von Saras Eltern und behauptete, er müsse in ihrem Keller eine Leitung reparieren. Das sagte er aber nur, um in deren Keller diese geheimnisvolle Kiste unter die Lupe zu nehmen. Dann baute er in seiner Werkstatt eine Kiste, die der Wunschkiste zum Verwechseln ähnlich sah. Die nachgemachte Kiste stellte er in den Keller zurück und schaffte die echte Wunschkiste in seine Wohnung.
Am nächsten Tag wollten sich die beiden Mädchen wieder etwas Schickes wünschen. Aber die Kiste antwortete nicht, und als sie den Deckel der Kiste öffneten, war sie leer. Erst dachten sie, sie hätten ihren Wunsch nicht vollständig geäußert. Deswegen wiederholten sie den Wunsch genau so, wie sie es früher gemacht hatten. Und damit die Kiste ganz genau mitkriegte, was sie sich wünschten, beschrieben sie ihren Wunsch mit immer neuen Wörtern. Könnt ihr euch denken, wie sie jetzt ihre Wünsche mitteilten? Aber das nutzte alles nichts, die Kiste blieb stumm und blieb leer.
Waren der Kiste vielleicht über Nacht die gewünschten Sachen ausgegangen? Sie versuchten es mit allen möglichen anderen Klamotten. Was wünschten sie sich wohl jetzt? Und was sagten sie zu der Kiste?
Aber auch jeder neue Wunsch schien der Kiste ausgegangen zu sein. Es half alles nichts: Die Kiste blieb stumm und leer. Sie schauten sich traurig an. Dann aber fiel der Freundin etwas auf: „Die Kiste vom Dachboden war doch staubig und abgenutzt. Warum schaut sie auf einmal so sauber und neu aus?“
Sie untersuchten die Kiste, drehten sie um, strichen mit der Hand über die Bretter: Das Holz war auf einmal viel heller, die Bretter viel glatter und die Schrauben, mit denen sie zusammengeschraubt war, glänzten. Und vor allem: Die alte Kiste war doch ganz verstaubt gewesen. Und wenn sie jetzt mit dem Finger über die Kiste fuhren, fanden sie kein einziges Staubkörnchen an ihren Fingerspitzen. „Jemand hat unsere Wunschkiste geklaut und uns eine nachgemachte hingestellt! So eine Gemeinheit!“ Aber wer konnte das nur gewesen sein? Und wer konnte überhaupt wissen, dass die alte Kiste Wünsche erfüllte?

4.
Als sie schließlich enttäuscht aus dem Keller hochkamen, kamen sie im Erdgeschoss an der Hausmeisterwohnung vorbei. Plötzlich spitzten sie die Ohren.
Sie hörten nämlich die tiefe Stimme ihrer Wunschkiste: „Falsche Eingabe! Auftrag verweigert!“
Die beiden Mädchen blieben stehen und lauschten. Jetzt hörten sie auch noch die Stimme des Hausmeisters: "Spuck mir auf der Stelle einen Computer aus! Meinst du, ich hab nicht gesehen, dass du den beiden Gören jeden Wunsch erfüllt hast? Wird es endlich, du blöde Schachtel? Du sollst einen Computer zaubern oder ich mach dich zu Kleinholz".
Aber die Kiste tat ihm den Gefallen nicht: „Falsche Eingabe! Aufrag verweigert!“
Könnt ihr euch denken, was in der Hausmeisterwohnung passierte? Der Hausmeister meinte, dass die Kiste jeden Wunsch erfüllte. Er wusste ja nicht, dass der Geist nur versprochen hatte, die Wünsche des Mädchens zu erfüllen und dass die Wunschkiste nur Sachen zum Anziehen schenkte.
Jetzt schrie der Hausmeister: "Wenn du den Computer nicht schaffst, dann schieb mir wenigstens eine Flasche Whisky rüber!" Die blöde Kiste lieferte ihm aber auch keinen Whisky.
Was glaubt ihr, womit es der Hausmeister noch versuchte?
Der Hausmeister wurde wütend, und schließlich trat er sogar gegen die Kiste, aber die Kiste wollte ihm auch jetzt keinen Computer, keinen Whisky und auch sonst nichts herausrücken.

Die beiden Mädchen ahnten natürlich, was geschehen war. Sie versteckten sich unter der Treppe und warteten ab, bis der Hausmeister wütend aus der Wohnung stapfte.
Dann schlichen sie sich in den Hof und untersuchten die Fenster der Hausmeisterwohnung. Sie hatten Glück: Das Badezimmerfenster stand einen Spalt weit offen. Sie stiegen in die Wohnung ein, holten sich ihre echte Wunschkiste wieder und stellten dem Hausmeister dafür die nachgemachte Kiste hin.
Bald kam der Hausmeister zurück und die beiden Mädchen beobachteten durch ein Fenster, wie er es noch einmal probierte und dabei die Kiste immer lauter anbrüllte. Weil sie aber auch jetzt noch immer nichts hergab, trat er schließlich wütend gegen die Kiste. Sie brach auseinander und er verbrannte die Trümmer im Ofen.
Aber das Mädchen hatte ihre Wunschkiste wieder und konnte sich für sich selbst oder für Andere alle Anziehsachen wünschen, die sie haben wollten.

5.
Wahrscheinlich habt ihr euch schon gefragt, was wohl die Eltern des Mädchens dazu sagten, dass sie ständig mit neuen schicken Sachen daherkam. Natürlich hatten sie Sara gefragt, woher sie diese Sachen hat, und sie hatte behauptet, sie würde sie von ihrer Oma geschenkt bekommen. Die die Freundin erzählte ihren Eltern, sie hätte sich diese Sachen doch nur von Sara ausgeliehen.
Natürlich fragten Saras Eltern auch bei der Oma nach. Das war aber eine sehr nette Oma. Sara hatte ihr längst verraten, dass sie eine Wunschkiste gefunden hatte. Und auf die Nachfrage der Eltern meinte die Oma, sie hätte doch neulich eine Nachzahlung ihrer Rente gekriegt und davon dem Mädchen all die schicken Sachen gekauft.
Und nun könnt ihr euch ja auch denken, wohin Sara die Wunschkiste brachte. Natürlich zu ihrer Oma. Die war fast immer zu Hause und passte gut auf sie auf. Und wenn sie aus dem Haus ging, sperrte sie die Tür immer ganz besonders sorgfältig ab, damit niemand Saras Wunschkiste klauen konnte.

[Sprachförderung: Adjektive, Subjekt-Verb-Entsprechung]
 

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V.I.P
Geschichten, die grammatische Regeln vermitteln
Präpositionen

Der rasende Roboter Robi
Julia Klein


Der Roboter Robi von dem diese Geschichte handelt, war ein ganz moderner Roboter. Er war ungefähr so groß wie ein ausgewachsener Fußballtorwart und auch ungefähr so breit. Er konnte sich blitzschnell bewegen und hatte enorme Kräfte. Außerdem konnte er mit seinen zehn Werkzeugfingern so ziemlich jede kaputte Maschine reparieren. Und das allerbeste war sein Spracherkennungssteuerungssystem. Das heißt, man musste dem Roboter einfach nur einen Befehl geben und am Ende des Satzes DREI, ZWEI, EINS, LOS! sagen. Der Roboter machte sein Erkennungssignal und führte den Befehl aus.
Der rasende Roboter Robi gehörte einer Maschinenverleihfirma, die alle möglichen Maschinen verlieh: Bagger, Kräne, Lastwagen, Presslufthämmer, Bodenabschleifgeräte und eben auch den Roboter Robi. Und wie Ihr euch vorstellen könnt, war Robi sehr begehrt. Er war ja so vielseitig einsetzbar.

Eines Tages wurde Robi für einen Hausbau ausgeliehen. Keller, Erdgeschoss, der erste Stock und das Dach des Hauses waren schon fertig. Jetzt sollten in der Küche im Erdgeschoss und im Badezimmer im zweiten Stock Fliesen verlegt werden. Weil die Fliesen so schwer waren, hatten die Fliesenleger keine Lust sie selbst vom Lastwagen in die Räume zu schleppen. Deshalb hatten sie Robi gemietet. Erst ging alles gut. Robi wurde von der Maschinenverleihfirma angeliefert und dem Fliesenlegermeister übergeben.
Zuerst wollte der Fliesenlegermeister, dass Robi die blauen Fliesen in die Küche im Erdgeschoß trägt. Was hat er also gesagt?
„Bring die blauen Fliesen ins Haus. DREI, ZWEI , EINS, LOS!“
Robi machte sein Erkennungssignal und raste los. Mit fünf Paletten auf einmal rannte er ins Haus, legte die blauen Fliesen auf den Küchenboden und rannte wieder zurück, um die nächsten zu holen. Die Fliesenleger schauten begeistert zu, sie hätten fünfmal so lange gebraucht für die gleiche Arbeit. Einer von ihnen ging hinter Robi in die Küche und begann den Boden auszumessen. Dazu kniete er sich auf den Boden. Das hätte er nicht tun sollen, denn als Robi mit dem letzten Stapel blauer Fliesen ins Zimmer kam, stolperte er über den Mann und stieß mit dem Kopf an die Wand. Es tat einen fürchterlichen Schlag, denn Robis Kopf war ja aus Metall. In der frischgestrichenen Wand war ein Loch.
Die Fliesen waren zum Glück heil geblieben. Darüber war der Fliesenlegermeister natürlich sehr froh.

Die blauen Fliesen waren nun alle in der Küche im Erdgeschoss. Nun ging es an den zweiten Stapel. Das waren gelbe Fliesen fürs Badezimmer im ersten Stock. Der Fliesenlegermeister und Robi gingen zu dem Stapel und was sagte der Meister zu Robi?
„Bring die gelben Fliesen nach oben. DREI, ZWEI , EINS, LOS!“
Robi machte sein Erkennungssignal, packte einen riesigen Stapel und rannte ins Haus zu den Treppen. Aber statt nach oben in den ersten Stock zu rennen, rannte er nach unten in den Keller.
„Halt! Stop! Stehenbleiben!“ schrie der Fliesenlegermeister. „Weißt du nicht wo unten und oben ist? Du sollst nach oben gehen, nach oben in den ersten Stock!“
Aber der rasende Roboter Robi war nicht zu stoppen. Denn hatte er einmal einen Befehl erhalten, so führte er ihn aus. Die Fliesenleger schrien:
„Nach oben sollst du die gelben Fliesen tragen, nach oben in den ersten Stock!“
Aber Robi trug weiter alles in den Keller. Die Arbeiter überlegten, was sie machen könnten. Habt ihr eine Idee, wie sie den Roboter, der oben und unten verwechselte, dazu bringen könnten, die Fliesen nach oben zu tragen?
Der Fliesenlegermeister überlegte: „Er verwechselt oben und unten. Was passiert wohl, wenn ich ihm befehle die Fliesen nach unten zu tragen?" Und probierte es aus, er sagte: „Bring die gelben Fliesen nach unten. DREI, ZWEI, EINS, LOS!“ Und tatsächlich Robi schleppte alle Fliesen ins Badezimmer in den ersten Stock.
Die Arbeiter waren sehr froh. Jetzt sollte Robi die Fliesenstapel auf den Tisch legen. Also sagte der Meister: „Leg die Fliesen auf den Tisch! DREI, ZWEI , EINS, LOS!“
Und was glaubt ihr was passierte? Robi packte den ersten Stapel, trug ihn zum Tisch und legte ihn unter den Tisch.
„Nein!“ schrien die Arbeiter auf. „Jetzt verwechselt er auch noch auf und unter.“ Und schnell riefen sie ihm den Befehl zu, der Robi dazu bringen sollte es richtig zu machen.
Was sagten sie, damit er die Fliesen nicht unter sondern auf den Tisch legte? „Leg die Fliesen unter den Tisch. DREI, ZWEI , EINS, LOS!“ Und tatsächlich Robi packte die Fliesen auf den Tisch, fein säuberlich alle übereinander.
Was glaubt ihr, was haben sie ihn noch transportieren lassen? Und welche Befehle gaben sie ihm?

Abends wurde Robi abgeholt und als die Frau von der Verleihfirma hörte, wie durcheinander Robi war, rief sie den Mann vom Pannendienst. Der untersuchte ihn mit Spezialwerkzeug und stellt fest, dass der Sturz gegen die Küchenwand etwas in seinem System durcheinandergebracht hatte.
Der Mann vom Pannendienst nahm Robi mit in seine Werkstatt und reparierte den rasenden Roboter Robi und schickte ihn zum Test einmal nach unten in den Keller um eine Flasche Bier zu holen und dann auf den Dachboden um die Wäsche aufzuhängen.
Wisst ihr, was er sagte?„Bring das Bier nach oben zu mir. DREI-ZWEI-EINS UND LOS!“
„Häng die Wäsche auf die Leine. DREI-ZWEI-EINS UND LOS!“ Das funktionierte einwandfrei.

Robi wurde in die Firma zurückgebracht. Drei Tage lang stand er in der kalten Lagerhalle, weil keiner ihn mietete.
Am vierten Tag kam ein Eilauftrag von einer Grundschule. In dieser Schule waren nämlich in den Schulferien alle Klassenzimmer gestrichen worden. Die Handwerker hatten alle Tafeln abgehängt und im Flur gestapelt und hatten vergessen sie wieder aufzuhängen. Die Ferien waren aber zu Ende und am nächsten Tag sollte in allen Klassen unterrichtet werden. Und nun sollte Robi alle Schultafeln wieder aufhängen. „Kein Problem,“ sagte die Frau von der Verleihfirma, packte Robi in ihr Auto und fuhr mit ihm zur Schule.
Sie überreichte ihn dem Hausmeister und sagte: „Sagen sie ihm einfach ganz genau wohin er die Tafeln hängen soll und sie werden sehen, die Arbeit ist schneller gemacht als sie sich vorstellen können. Mit Hilfe seiner Werkzeughände kann Robi in Windeseile schrauben und bohren.“
Der Hausmeister zeigte Robi die Tafeln und ging dann mit ihm in ein Klassenzimmer. Und ihr wisst ja wo im Klassenzimmer die Tafel hängt! VORNE!.
Also was sagte der Hausmeister zu Robi? „Häng die Tafeln vorne auf. DREI, ZWEI , EINS, LOS!“
Und was machte Robi? Er schleppte eine Tafel vom Stapel im Flur ins Klassenzimmer, bohrte Löcher in die vordere Wand, hängte die Tafel auf und schraubte sie fest.
Der Hausmeister war begeistert. Da entdeckte er an Robis Hinterseite eine lockere Schraube. Weil er Unordnung nicht leiden konnte, nahm er einen Schraubenschlüsssel und zog sie fest. Das hätte er lieber nicht tun sollen. Ihr könnt Euch denken warum. Aber der Hausmeister wusste es nicht, fröhlich gab er Robi den Befehl in jedem Klassenzimmer vorne an der Wand eine Tafel aufzuhängen. „Häng alle Tafeln vorne auf. DREI-ZWEI-EINS UND LOS!“
Dann ging er weg, um Pause zu machen. Und was machte Robi? Robi holte die nächste Tafel vom Stapel im Flur und hängte sie auf.

Während der Hausmeister Pause machte, hörte er die ganze Zeit wie Robi schraubte und bohrte und schleppte. Was er allerdings nicht hörte, war folgendes: Robi hängte die Tafeln zwar auf , aber an der falschen Stelle. Schuld daran war die verdrehte Schraube. Die hatte eindeutig das Programm VORNE UND HINTEN umgestellt. Denn er hängte die Tafeln nicht vorne in die Klassenzimmer, er hängte sie nach hinten. Genau an die entgegengesetzte Wand.
Könnt ihr euch vorstellen, was der Hausmeister sagte, als er das sah? Er schrie laut auf. Aber da war es schon zu spät. Robi hatte in sämtlichen Klassenzimmern die Tafeln an der hinteren Wand aufgehängt.
Der Hausmeister packte Robi, schleppte ihn auf den Sportplatz und rief wutschnaubend die Verleihfirma an. Da war niemand mehr zu sprechen und so stand Robi die ganze Nacht draußen. Das wäre nicht weiter schlimm gewesen, hätte es nicht gewaltig gewittert. Es donnerte und regnete und blitzte. Bei Gewitter ist ganz viel elektrische Energie in der Luft und mit der wurde Robi aufgeladen. Alle seine Programme waren auf START und aktiviert.
Aber solange niemand drei zwei eins los sagte, konnte er sich nicht bewegen.

Am nächsten Morgen kamen die Schulkinder und lachten, weil die Tafeln falsch herum hingen. Die Lehrerinnen wunderten sich und eine von ihnen beschloss mit ihrer Klasse auf den Sportplatz zu gehen und Wettrennen zu veranstalten, solange der Hausmeister die Tafel umhängte.
Die ganze Klasse stand also an einer Seite des Sportplatzes und die Lehrerin sagte: „Bis zum Fußballtor und zurück DREI-ZWEI-EINS-LOS!“
Diesen Ruf hörte auch Robi der Roboter. Sein Spracherkennungssystem erkannte die Worte „Tor“ und „zurück“. Und wie ein Blitz rannte er zum Fußballtor, hebelte es aus dem Boden und rannte mit dem Tor zurück zur Lehrerin.
Ein Junge aus der Klasse hatte eine Idee, er rief: „Hey trag das Tor dahin wo der Ball liegt. DREI, ZWEI , EINS, LOS!“
Er schoss einen Fußball übers Feld. Und was machte Robi? Er rannte dem Ball hinterher und stellte das Fußballtor auf den Ball.
„TOOOOR!“ brüllte die Klasse.
Und so begann das verrückteste Fußballspiel, das auf dem Platz je stattgefunden hatte. Die SchülerInnen schossen den Fußball irgendwo hin, und Robi rannte hinterher, fing mit dem Tor den Ball und stellte das Tor auf den Ball. Dann schrien alle Kinder „TOOOR!“ Und weiter ging’s. Da flog der Ball über den Sportplatzzaun auf die Strasse. Robi raste hinterher. In diesem Moment kam ein Lieferwagen um die Ecke und fuhr Robi um. Es tat einen gewaltigen Schlag. Der Fahrer stieg aus dem Wagen und erkannte Robi sofort. Es war nämlich der Mann vom Pannendienst, der Robi holen sollte.
Tja, wie Ihr Euch vorstellen könnt, gab es da eine ganze Menge zu reparieren. Robi wurde regelrecht generalüberholt.
Welchen Auftrag würdet Ihr Robi geben, wenn er jetzt hier vor Euch stände?

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dderya

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Besuch aus dem All

Julia Klein

Luisa Scherenkamp arbeitete in einer Bibliothek. Jeden Morgen fuhr sie mit dem Fahrrad zur Arbeit. Der Weg führte ein Stück am Fluss entlang und über eine Brücke bis zur Bibliothek. Sie fuhr diesen Weg schon viele Jahre und kannte ihn in- und auswendig.
Darum war sie auch so erstaunt, als sie sich an einem ganz normalen Donnerstagmorgen auf dem Weg zur Arbeit verfuhr. Ihrer Ansicht nach hatte sie alles so gemacht wie immer, aber aus irgendeinem merkwürdigen Grund musste sie am Fluss in die falsche Richtung gefahren sein. Sie bemerkte es, nachdem sie eine ganze Weile gefahren war und die kleine Brücke nicht auftauchte.
„Nanu, was ist denn mit mir los,“ dachte sie kopfschüttelnd, wendete ihr Fahrrad und fuhr in entgegengesetzter Richtung den Fluss entlang. Und richtig, da war ja die Brücke. Schnell fuhr sie über den Fluss, denn der Umweg hatte natürlich Zeit gekostet und sie wollte ungern zu spät zur Arbeit kommen. Sie stellte ihr Fahrrad ab, begrüßte den freundlichen Pförtner, ging die Treppen hoch und den Gang zu ihrem Büro entlang. Sie wunderte sich als ihr Schlüssel nicht passte.
„Nanu, was ist denn mit dem Schlüssel los“, dachte sie und probierte es noch einmal. Plötzlich wurde die Tür von innen geöffnet und ihre Kollegin schaute sie überrascht an.
„Guten Morgen Luisa“, sagte die Kollegin, „was willst du denn in meinem Büro?“
„Deinem Büro?“
staunte Luisa Scherenkamp und richtig, da stellte sie fest, dass sie ihren Schlüssel an der falschen Tür ausprobiert hatte. Sie war im 2. Stock. Ihr Büro aber war im 3. Stock.
Sie entschuldigte sich bei ihrer Kollegin. Die lachte nur und sagte: „Mach dir nichts draus, heute scheint so ein Tag zu sein. Ich habe beim Frühstückmachen den Milchtopf statt auf den Herd in die Waschmaschine gestellt und mich gewundert, warum nichts passiert. Dummerweise habe ich den Schleudergang eingestellt. Das war ein Lärm als der Milchtopf in der Waschmaschine herumgeschleudert wurde“.
Als sie das hörte, musste Luisa lachen . Gutgelaunt wollte sie jetzt endlich in ihr Büro gehen, als sie ihre Chefin mit einem großen Stapel Bücher den Gang entlang kommen sah. Statt aber in den Raum mit den Bücherregalen einzubiegen, öffnete die Chefin die Aufzugstür, legte die Bücher im Aufzug ab und kam zurück.
„Nanu, was ist denn mit Ihnen los?“, fragte Luisa erstaunt. Ihre Chefin war eine sehr ordentliche Person und es passte überhaupt nicht zu ihr, einfach irgendwohin Bücher abzulegen.
„Ich bringe die abgegebenen Bücher zum Einsortieren in die Bibliothek, wie jeden Morgen“, antwortete ihre Chefin etwas ungehalten.
„Aber“, wagte Luisa einzuwenden, „Sie haben die Bücher in den Aufzug gelegt.“
Ihre Chefin starrte sie einen Moment lang verwirrt an, dann bemerkte sie ihren Irrtum.
„Oh,“ sagte sie verlegen, „ ich weiß nicht was mit mir los ist, das geht schon den ganzen Morgen so. Ich weiß nicht mehr wo oben und unten und links und rechts ist“.
Alle drei lachten und rannten zum Aufzug, um die Bücher zu holen. Als sie gerade alle drei im Aufzug waren, schloss sich die Tür und sie fuhren nach unten. Aber nicht nur ins Erdgeschoss, nein bis in den tiefsten Keller.
„Wer ist denn am frühen Morgen schon im tiefen Keller?“ wunderte sich Luisa, Die Tür öffnete sich und vor ihnen stand der Schornsteinfeger.
„Nanu, was ist denn mit Ihnen los? Was suchen sie denn im Keller?“
„Ich weiß auch nicht, wie ich hierher geraten bin, eigentlich wollte ich aufs Dach zum Schornstein und plötzlich stand ich hier im Keller.“
In diesem Moment begann Luisa die Sache unheimlich zu werden. Dass so viele Leute an einem einzigen Morgen oben und unten, innen und außen, rechts und links verwechseln, kam ihr sehr merkwürdig vor.
Luisa ging mit ihrer Kollegin die abgegebenen Bücher einsortieren. Bei einem Buch war der Umschlag verwaschen und sie wollte innen nach dem Titel schauen. Sie schlug das Buch auf und machte eine Entdeckung.
Aus dem Buch waren Wörter herausgeschnitten, statt des ganzen Titels stand da: DAS MÄRCHENSCHLOSS ...DEM BERG...WALD.
Luisa blätterte weiter und stellte fest, dass im ganzen Buch zerlöcherte Seiten waren. Überall fehlten die kleinen Wörter, die die Richtungen angaben. Schnell nahm Luisa ein zweites Buch und ein drittes. Überall das gleiche. Überall zerlöcherte Seiten.
„Kommt bitte schnell“, rief Luisa.
„Wo bist du?“ fragte ihre Kollegin, die Luisa wegen der vielen Bücherregale nicht sehen konnte.
„Ich bin ......“ Eigentlich wollte Luisa sagen: hinter dem Märchenbücherregal. Aber sie konnte nur sagen: „Ich bin...Märchenbücherregal“.
Glücklicherweise wusste ihre Kollegin genau, wo die Märchenbücher stehen und eilte herbei.
Den beiden war sofort klar, dass es sich bei dem Wortraub um ein ernstes Problem handelte. Stellt euch mal eine Bücherei vor in der nur zerlöcherte Bücher stehen. Sie alarmierten die Polizei.
Während sie warteten, fiel Luisa der Schornsteinfeger auf dem Dach ein und sie bekam einen Schreck bei der Vorstellung, er könnte weiterhin oben und unten verwechseln und vom Dach fallen. Sie rannte zum Pförtner, um ihn zu bitten, den Schornsteinfeger vom Dach zu holen.
Als sie den Mund aufmachte, da konnte sie nur sagen: „Der Schornsteinfeger ist ....dem Dach. Das ist vielleicht gefährlich.“
Der Pförtner schaute sie verständnislos an. Luisa wiederholte es und machte mit den Händen Zeichen. Da verstand der Pförtner, was sie meinte, und rannte zum Aufzug.
Die Polizei kam mit Blaulicht angefahren. Allen war klar, dass die Worträuber schnellstmöglichst gefasst werden sollten. Die Polizisten begaben sich auf Spurensuche und fanden ringsum das Märchenbücherregal herum Spuren seltsam großer Füße. Irgendein Wesen schien barfuß unterwegs gewesen zu sein. Die Füße des Wesens hatten nur drei Zehen.
Alle grübelten, da meldete sich der Pförtner schüchtern zu Wort: „Entschuldigung das klingt vielleicht ein bisschen albern, aber vielleicht handelt es sich um Außerirdische. Ich habe schon öfters gelesen, dass sie nur drei Zehen haben“.„Außerirdische?“ schrien die drei Polizisten im Chor.
„Ähm, äh,“ hüstelte der Schornsteinfeger, der vom Dach gestiegen war und mit herum stand. „Also, als ich gestern......“
Eigentlich wollte er AUF dem Dach sagen, aber er konnte nur folgendes sagen: „Als ich gestern ....dem Dach stand, da sah ich von... einen Blitz, der war ganz hell und schlug irgendwo da.. ein...einen kleinen Schuppen. Ich schaute ,ob es brennt, aber weil ich nichts sah, habe ich es vergessen.“
„Wie? Wo? Schuppen? Wiese? Blitz?“ rief ein Polizist. Und der Schornsteinfeger versuchte noch einmal.
Wisst ihr welche Worte ihm fehlten?
„Als ich gestern ...Dach stand, da sah ich von... einen Blitz, der war ganz hell und schlug irgendwo da... ein...einen kleinen Schuppen“.
Die drei Polizisten rannten zu ihrem Auto, um in die angegebene Richtung zu fahren. Mit Blaulicht ging’s los, Richtung Wiese. Nun gab es aber natürlich nicht nur eine Wiese in der Nähe der Bibliothek und auch nicht nur einen Schuppen. Die Polizisten hielten eine Mutter mit Kinderwagen an um sie nach dem verdächtigen Schuppen zu fragen. Als sie aber anfingen zu reden, fehlten auch ihnen wichtige Worte. „Wir suchen einen Schuppen ...einer Wiese, ...die eine Art Blitz eingeschlagen haben soll“ Und um sich verständlich zu machen fuchtelten sie wild mit den Armen rum.
Das Kind im Kinderwagen fing an zu heulen. „ Ja sind Sie denn verrückt geworden, mein Kind so zu erschrecken?“
Und noch mal versuchte der Polizist sein Glück, könnt Ihr mir sagen welche Worte ihm fehlten. „Wir suchen einen Schuppen .. einer Wiese, ...die eine Art Blitz eingeschlagen haben soll“.
Die Frau hatte den Blitz auch gesehen. „Der Schuppen steht...dem kleinen Waldstück, da...“

Mit quietschenden Reifen fuhren die Polizisten weiter. Auf dem Weg haben sie noch ein paar Mal nach dem genauen Standort des Schuppens gefragt. Wen haben sie wohl gefragt? Und was haben die Leute geantwortet?
Allen, die sie fragten, fehlten die Wörter, die die Richtungen anzeigen.
Zuguterletzt erreichten die Polizisten den kleinen Schuppen hinter dem Waldstück bei der großen Buche am Fluss. Und was sahen sie da? Zwei winzige grüne Männlein, die auf riesengroßen Füßen herumwatschelten und gerade dabei waren ein autoähnliches Gefährt mit Säcken zu beladen. Die Polizisten schlichen sich an.
„Stehenbleiben! Stop!“
Das eine grüne Männlein stolperte über seinen riesigen rechten Zeh und fiel hin, dabei öffnete sich der Sack und viele kleine Wortfetzen fielen heraus.
„Das sind die Räuber! Gebt uns sofort unsere Worte wieder!“ schrien die Polizisten.
„Aber, aber, aber, wir brauchen sie doch so dringend!“ heulte das eine grüne Männlein mit quietschender Stimme los. „Wir verlaufen uns doch ständig auf unserem Planeten. Und haben Blasen an den Füßen. Und die so tun weh. Bitte, bitte, tut uns nichts!“
Die Polizisten ließen ihre Pistolen sinken.
Einer von ihnen fragte: „Wißt ihr überhaupt wie man die Wörter benutzt“.
Die beiden grünen Männlein schauten sich fragend an. „Naja, das ist doch ganz einfach. Wir verteilen sie auf unserem Planeten und immer wenn man die Orientierung verloren hat, nimmt man ein Wort in die Hand und dann weiß man weiter.“
„So ein Quatsch“, brummte der zweite Polizist. „Nur die Worte zu haben, hilft euch gar nichts. Ihr müsst doch wissen was sie heißen“.
Erst wollten die Marsmännlein das nicht so recht glauben. Aber nach langen Verhandlungen machten sie aus, dass die Polizisten ihnen die Worte beibringen würden, dafür waren sie bereit die geklauten Worte aus dem Sack zurückzugeben. Und zwar eins nach dem anderen.
Zuerst gaben die Marsmännlein den Polizisten das Wort: AUF. Und die Polizisten zeigten den beiden was AUF bedeutet.
Was glaubt Ihr wie sie das gemacht haben? Der eine Polizist kletterte auf das Raumschiff. Und rief: „Ich stehe auf dem Raumschiff“
Dann kam das Wort UNTER an die Reihe. Ein Polizist krabbelte unter das autoähnlichen Raumschiff. Und sagte: „Ich liege unter dem Raumschiff.“
Dann das Wort HINTER. Ein Polizist stellte sich hinter den anderen.
Wisst ihr, was er sagte?
Ein Wort nach dem anderen bekamen die Polizisten zurück. Bis der Sack leer war.
Da quietschte es ganz fürchterlich aus dem Raumschiff. Das war das Rückrufsignal für die Männlein. So schnell ihre riesigen Füße es zuließen, bestiegen sie ihr Raumschiff und mit einem gewaltigen Blitz flogen sie davon.
Die drei Polizisten brachten den großen Sack kleiner Worte zurück in die Bibliothek. Dort machten sich Frau Scherenkamp mit ihren Kollegen daran alle Worte wieder in die Bücher zu sortieren. Zuallererst reparierten sie das Märchenbuch, in dem Luisa Scherenkamp den Wortraub entdeckt hatte.
Dessen vollständiger Titel lautet: DAS MÄRCHENSCHLOS AUF DEM BERG IM WALD.

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Der Dicke und die Mücke
Johannes Merkel


1.
Es war einmal ein dicker Mann, der saß auf seinem Balkon und las in der Zeitung. Da hörte er ein Surren. Ssssst. Eine Stechmücke hatte den Geruch des dicken Mannes gewittert und landete auf seinem Doppelkinn.
Der dicke Mann schaute von der Zeitung auf und sagte: „Liebe Mücke, an deiner Stelle würde ich das lieber bleiben lassen.“
„Warum?“ fragte die Mücke.
„Siehst du diese Hand?“ fragte der dicke Mann. „Sobald du stichst, klatsche ich sie gegen mein Kinn und zerquetsche dich.“
„Stell dich nicht so an!“ meinte die Mücke. „Du hast jede Menge Blut und ich brauche doch nur ein paar winzige Tröpfchen.“ Und damit stach sie den Dicken in das Doppelkinn. Pieks.
„Aua!“ rief der Dicke und schon klatschte seine Hand gegen das Doppelkinn. Der Dicke schaute auf seine Hand und suchte nach der zerquetschten Mücke. Aber da war von einer zerquetschten Mücke nichts zu sehen. Sein Kinn hatte er getroffen, nur die Mücke nicht. Sie war aufgeflogen, bevor die Hand zuschlug. Ssssst. Der Dicke verfolgte das Surren der Mücke, aber das war plötzlich nicht mehr zu hören. Sie saß auf seinem Hals, aber das merkte der Dicke erst, als sie ihn jetzt in den Hals stach. Pieks. „Aua!“ stöhnte der Dicke und die Hand schlug gegen seinen Hals. Den Hals hatte er getroffen, nur die Mücke nicht. Die war längst weggeflogen. „Zu spät, mein Lieber!“ kicherte sie und sauste dem Dicken um den Kopf herum. Ssssst.
„Na warte!“ dachte der dicke Mann. „Gleich hast du ausgestochen!“ Jetzt hielt er die Hand schlagbereit erhoben und verfolgte ihr Surren. Ssssst. Die Mücke kreiste drei oder vier Mal um seinen Kopf herum, ohne sich niederzulassen. Schließlich landete sie auf seinem Stiernacken und stach zu. Pieks „Aua!“ stöhnte der Dicke wieder. Bis die Hand aber gegen den Nacken klatschte, war die Mücke schon wieder weg. Den Nacken hatte er getroffen, nur die Mücke nicht.
„Krieg mich doch, wenn du kannst,“ lachte die Mücke. Und sie flog durch die Balkomtür ins Wohnzimmer des Dicken. Ssssst.

„Na warte!“ freute sich der Dicke. „Da drinnen krieg ich dich!“ Er ging ins Wohnzimmer und schloss die Balkontür, damit ihm die Mücke nicht entwischen konnte.
Aber wo war sie geblieben? Er horchte nach allen Seiten, aber vom Surren der Mücke war nichts zu hören. Er blickte sich im Wohnzimmer um. Auf dem Tisch stand eine Blumenvase und auf dieser Blumenvase entdeckte er die freche Mücke. Auf den Zehenspitzen schlich er zum Tisch, holte aus und schlug mit der Hand gegen die Vase. Die Vase flog durch die Luft und krachte gegen das Aquarium auf dem Fensterbrett, riss ein Loch in das Aquarium, das Wasser stürzte mitsamt den Fischen auf den Fußboden. Die Wasserpflanzen lagen am Boden verstreut und die Fische zappelten hilflos auf dem Teppich. Die Vase hatte er getroffen, nur die Mücke nicht. Die surrte um die Hängelampe und kicherte: „Daneben gelangt! Hier bin ich.“ Ssssst.

O Gott, die Fische! Ohne Wasser mussten sie bald eingehen! Der Dicke rannte in die Küche, holte den großen Suppentopf aus dem Schrank, stellte ihn in das Spülbecken und drehte den Wasserhahn auf. Während das Wasser in den Topf lief, krempelte er die Ärmel hoch. Dann griff er mit beiden Händen nach dem vollen Topf. Auf dem Weg ins Wohnzimmer hörte er wieder die Mücke herumfliegen. Ssssst. Er sah, wie sie auf seinem nackten rechten Arm landete. „Schlag doch zu!“ lachte sie ihn an. Aber was konnte er machen? Er durfte doch den Topf mit dem Wasser nicht fallen lassen. Hilflos musste er zusehen, wie ihn die Mücke in den rechten Unterarm stach. Pieks. „Aua!“ Und dann flog das dreiste Biest auch noch zum linken Unterarm. Nein, das war zu viel! Der Dicke ließ den Topf fallen, um mit der freien rechten Hand gegen den linken Unterarm zu klatschen. „Aua!“ Diesmal schlug er blitzschnell zu, aber die Mücke war leider noch schneller gewesen. Den Unterarm hatte getroffen, nur die Mücke nicht. Die hatte sich rechtzeitig davon gemacht. Und der schwere Topf war ihm auch noch auf die Zehenspitzen gefallen. Der lag vor seinen Füßen und das Wasser lief über den Küchenboden. Schnell ließ er den Topf wieder voll laufen, rannte mit dem Topf in das Wohnzimmer, um endlich die Fische vom Teppich aufzusammeln. Ein Glück, dass ihn dieser Quälgeist endlich in Ruhe ließ! Aber die Mücke dachte gar nicht daran. Es war nur so anstrengend, durch die dicke Haut zu stechen. Deshalb hockte sie jetzt auf der Wohnzimmerlampe und ruhte sich aus.

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Hastig hatte der Dicke inzwischen die Fische vom Teppich aufgesammelt. Aber der Suppentopf war viel zu klein für die vielen Fische! Er trug den Topf ins Bad, drückte den Stöpsel in den Abfluss der Badewanne, drehte den Wasserhahn auf und kippte den Topf mit den Fischen in die Wanne. Als er sich über die Wanne beugte, rutschte ihm das Hemd aus dem Hosengürtel. Zwischen Hose und Hemd schaute ein Stück nackter Hintern heraus. Ssssst. Schon hörte er wieder dieses Surren und dann war es plötzlich still. Wo hatte sich das Biest niedergelassen? Pieks. Die Mücke hatte ihn ins Hinterteil gestochen. "Aua!" Er ließ den Topf in die Wanne fallen und schlug sich mit der rechten Hand auf den Hintern. Den Hintern hatte er getroffen, nur nicht die Mücke Er hörte sie davonfliegen. Ssssst. Und dabei kicherte sie: "Krieg mich doch! Krieg mich doch!"

Der Dicke griff nach dem Handtuch, das am Handtuchhalter neben dem Waschbecken hing. „Ganz ruhig bleiben!“ sagte er sich, setzte sich auf den Rand der Badewanne und, während er das Handtuch in der Hand hielt, beobachtete er, wie die Mücke durch das Badezimmer surrte. Ssssst. Sie surrte aber nicht lange. Vom Herumschwirren und Blutsaugen war sie nämlich wieder ganz müde geworden und landete auf dem Spiegel über dem Waschbecken. Dort blieb sie sitzen, um sich auszuruhen.
Das war seine Chance! Langsam hob der Dicke das Handtuch hoch. Auf den Zehenspitzen schlich er zum Waschbecken. Dann schlug er plötzlich zu. Das Spiegelglas splitterte, die Scherben klirrten in das Waschbecken. Aber wo war die Mücke geblieben? Ssssst. Sie surrte um das Ohr des Dicken herum. „Du bist nicht fix genug, mein Süßer!“

So kam er nicht weiter. Dieser Plagegeist trickste ihn immer wieder aus. „Wozu mache ich mich verrückt?“ sagte sich der Dicke. „Besser, ich verkrieche mich! Wenn sie kein Blut mehr kriegt, verschwindet sie von selber.“ Und damit lief er ins Wohnzimmer und öffnete die Balkontür, damit die Mücke durch die offene Tür verschwinden konnte. Dann ging er in den Flur, schloss die Tür zum Wohnzimmer, setzte sich auf das Schuhschränkchen und wartete. Er wartete fünf Minuten, dann noch einmal fünf Minuten. Das Warten wurde ihm langweilig und schließlich dachte er: „Na, die wird sich wohl aus dem Staub gemacht haben!“ Aber was musste er hören, als er die Wohnzimmertür einen Spalt weit aufmachte? Ssssst. Es kitzelte ihn am Ohrläppchen. Pieks. Die Mücke hatte schon wieder zugestochen. „Aua!“ Seine Hand fuhr gegen das Ohrläppchen. Das Ohrläppchen hatte er getroffen, nur die Mücke nicht.

Wie sollte er sich nur vor diesem Mistvieh in Sicherheit bringen? Halt, das war es! Er lief ins Schlafzimmer, kroch ins Bett und zog sich die Bettdecke über den Kopf. Zu dumm! In der Eile hatte er vergessen, die Schlafzimmertür zuzuziehen. Und schon hörte er durch die Bettdecke hindurch die Mücke um das Bett herumfliegen. Ssssst. „Da kannst du lange surren,“ dachte er. „Hier kriegst du mich nicht!“
Aber was passiert, wenn man mit den Kleidern unter der Bettdecke liegt? Dem Dicken wurde es bald zu warm. Vorsichtig zog er unter der Decke Hose, Hemd und Unterhose aus und schob sie aus dem Bett. Dabei öffnete sich die Bettdecke am Fußende. Pieks. „Aua!“ Da hatte ihn das Biest doch schon in den großen Zeh gestochen. Mit dem anderen Fuß trat er gegen den Zeh, in den sie ihn gestochen hatte. Den Zeh hatte er getroffen, nur die Mücke nicht. Nicht einmal unter der Bettdecke war er vor diesem Quälgeist sicher!

Der Dicke sprang aus dem Bett, riss die Schranktür auf, drückte sich zwischen seine Anzüge und zog die Schranktür von innen zu. Da stand er nackt im Schrank und dachte: „Hier kriegst du mich nicht!“ Aber was musste er da hören? Ssssst. Die Mücke war durch das Schlüsselloch gekrochen und surrte schon im Schrank herum. Er spürte, wie sie sich auf seinem Hintern niederließ. Pieks. Da hatte sie auch schon zugestochen. „Aua!" Der Dicke warf sich mit aller Wucht gegen die Schrankwand, um die Mücke auf seinem Hintern zu zerquetschen. Die Schrankwand splitterte, es schepperte, der Schrank krachte zusammen und der Dicke lag zwischen Anzügen, Hemden, Unterhosen und Krawatten und den Trümmern seines Schrankes am Boden. Die Schankwand hatte er getroffen, nur die Mücke nicht. Ssssst. Die surrte über seinen Kopf hinweg kicherte: „Tschüß Alter! Und danke für das leckere Blut!“ Und damit flog sie aus Schlafzimmer in das Wohnzimmer und durch die Balkontür davon.

2.
Da war der dicke Mann vielleicht sauer. „Das lass ich mir nicht gefallen!“ beschloss er und ging noch am gleichen Tag zur Polizei, um die Mücke auf Schadenersatz zu verklagen.
„Die Anzeige kommt vor das Gericht,“ erklärte ihm die Polizei. „Sie hören von uns, sobald wir die Täterin gefasst haben.“
Es dauerte auch nicht lange, da hatte die Polizei eine Mücke zu fassen gekriegt. Wer weiß, welche Mücke das war, schließlich kann niemand von der Polizei verlangen, dass sie eine Stechmücke von einer andern unterscheiden kann. Sie sperrten die gefangene Mücke in ein Einmachglas und es wurde eine Gerichtsverhandlung angesetzt.

Bei der Gerichtsverhandlung saß der dicke Mann als Kläger auf der einen Seite, auf der anderen stand das Glas mit der gefangenen Mücke und davor saß ein Anwalt, der sie verteidigen sollte. Oben auf einem Podium saß der Richter.
Der dicke Mann sagte aus, dass ihn die Mücke hinterhältig verfolgt und ihm 3000 Euro Schaden zugefügt habe.
„Wenn er sich hätte stechen lassen, ohne um sich zu schlagen, wäre der Schaden nicht entstanden,“ entgegnete der Rechtsanwalt der Mücke. „Deshalb muss ich im Namen meiner Mandantin jeden Anspruch auf Schadensersatz zurückweisen.“
„Angeklagte, was haben Sie dazu zu sagen?“ fragte der Richter. Um sie zu hören, musste man das Einmachglas öffnen. Die Mücke kam aus dem Glas geflogen. Sssst. Aber was der Richter und der Anwalt redeten, war ihr piepegal. Sie hatte tagelang nichts zu fressen gekriegt und verstand nur eines: Ich brauche Blut! Sie witterte den Anwalt und flog zu ihm. Sssst.
„Angeklagte, bleiben Sie auf der Anklagebank!“ schimpfte der Richter. Aber da war die Mücke schon auf der Nase des Anwalts gelandet und hatte zugestochen. Pieks. „Aua!“ stöhnte der Anwalt, schlug sich auf die Nase. Die Nase hatte er getroffen, nur die Mücke nicht. Er beantragte, die Angeklagte von der Verhandlung auszuschließen. Da war die Mücke aber längst weiter geflogen. Sie witterte den Richter und flog zu ihm. Ssssst.
„Nehmen Sie die Angeklagte fest!“ rief der Richter dem Gerichtsdiener zu. Inzwischen saß die Mücke aber schon auf der Backe des Richters.
„Halten Sie still!“ meinte der Gerichtsdiener. „Gleich habe ich sie!“
Da stach die Mücke auch schon zu. Pieks. „Aua!“ stöhnte der Richter. Der Gerichtsdiener hatte längst die Hand gehoben und den Richter auf die Backe geschlagen. Die Backe hatte er getroffen, nur die Mücke nicht.
„Sind Sie komplett verrückt geworden?“ schrie der Richter den Gerichtsdiener an.
„Verzeihung, aber die Angeklagte saß auf Ihrer Backe!“
Da saß sie aber schon längst nicht mehr. Ssssst. Die Mücke hatte genug vom Gericht. Sie hatte ihren ersten Hunger gestillt. Sie fand die Luft im Gerichtssaal zu stickig, darum flog sie durch das Fenster davon. Ohne die Angeklagte musste die Gerichtsverhandlung leider abgebrochen werden und der dicke Mann blieb schließlich auf seinen Unkosten sitzen. Kein Wunder, dass er seitdem Stechmücken nicht mehr ausstehen kann und sich gleich unter seiner Bettdecke verkriecht oder im Kleiderschrank versteckt, wenn er nur von weitem eine Mücke surren hört.

3.
Ich nehme an, dass sich die Mücke erst einmal ausruhte, nachdem sie aus dem Gerichtssaal verschwunden war. Aber dann flog sie sicher gleich wieder los, um sich Opfer zum Stechen zu suchen. Denn ohne zu stechen, können Stechmücken nun einmal nicht leben.
Auf der Suche nach leckerem Blut könnte sie auch an einer Schule vorbeigekommen sein und durch ein offenes Fenster in ein Klassenzimmer geflogen sein. Was wäre passiert, wenn das euer Klassenzimmer gewesen wäre? Stellt euch vor, plötzlich macht es „Sssssssst“ und eine Mücke surrt durch den Klassenraum. Was würdet ihr machen? Und was würde eure Lehrerin dazu sagen?
 

dderya

kOkOşŞ
V.I.P
Geschichten, die grammatische Regeln vermitteln
Pronomen


Wem soll die Prinzessin glauben?
Julia Klein


Es war einmal eine neugierige Prinzessin. Sie liebte es in einer Sänfte durch die Gegend getragen zu werden und sich die Welt anzuschauen.
Einmal war sie mit ihren Dienern am Rande des Urwalds unterwegs. Vier Diener trugen die Sänfte und eine Dienerin ging voraus um die schönsten Ecken auszukundschaften.
Mittags war es sehr heiß und so ordnete die Prinzessin eine Pause an. Sie zog die Vorhänge ihrer Sänfte zu und ihre Diener und die Dienerin legten sich in den Schatten eines riesigen Baumes. Alle machten ein Nickerchen. Niemand hörte den Elefanten, der sich auf leisen Sohlen näherte und in einer Höhle verschwand. Diese Höhle lag direkt neben dem Mittagspausenplatz der Prinzessin. Der Elefant ging in die Höhle und schlief ein. Und er begann zu schnarchen. Durch die Steinwände der Höhle wurde die Lautstärke des Schnarchens verstärkt. Draußen erwachte die Prinzessin. Sie wollte wissen, was das für ein Lärm war. Sie schickte den ersten Diener in die Höhle, um nachzusehen.

In der Höhle war es dunkel. Der Diener tastete sich an der Wand entlang. Da stieß er mit seinem Fuß an etwas Rundes am Boden. Er bückte sich und tastete genau. Das Ding war rund und stand fest am Boden und hatte ein raue Oberfläche.
Der Diener tastete sich zurück ins Freie und meldete der Prinzessin:
"Da drinnen meine Hoheit, steht eine Säule."
Die Prinzessin wollte nicht so recht glauben, dass eine Säule einen solchen Lärm macht. Also schickte sie einen zweiten Diener in die Höhle.

Auch der konnte nichts sehen in der Höhle. Mit ausgestreckten Armen ging er auf das Geräusch zu. Plötzlich berührte er mit der Hand etwas längliches. Er tastete genauer nach. Das Ding war wie ein dicker Gartenschlauch. Plötzlich bewegte es sich.
Da rannte der Diener so schnell er es bei der Dunkelheit konnte aus der Höhle. "Da drinnen, meine Hoheit, lauert eine gefährliche Riesenschlange."
Die Prinzessin schaute ihre beiden Diener an.
Wem sollte sie glauben? Dem einen oder dem anderen?

Sie fand es wahrscheinlicher, dass eine Riesenschlange einen solchen Lärm machen würde. Sie wollte aber ganz sicher sein. "Wer von euch wagt es die Riesenschlange genauer abzutasten?"
Keiner der Diener hatte Lust. Da meldete sich die Dienerin, die sich mit Schlangen gut auskannte, weil ihr Vater Schlangenbeschwörer gewesen war.
Sie tastete sich in die Höhle und bekam etwas zu fassen. Dieses Etwas war aber keine Schlange. Es war eher flach und ließ sich hin und herbewegen. Sie tastete es genau ab und war sich schließlich ganz sicher, worum es sich hierbei handelte.
Sie meldete der Prinzessin: "In der Höhle, meine Hoheit, hängt ein Fächer von der Decke. Vielleicht gehört er einer Dame."
Die Prinzessin schaute die Dienerin und den Diener, der von der Schlange erzählt hatte, an.
Wem sollte sie glauben? Ihm oder ihr? Wer von beiden hatte Recht? Er oder sie?
Sie fand die Vorstellung in der Höhle wohne eine Dame sehr viel schöner, als die einer gefährlichen Riesenschlange. Also entschied sie zugunsten der Dienerin. Um sicher zu gehen, schickte sie den nächsten Diener in die Höhle mit dem Auftrag die Dame zu suchen.

Das ließ der Diener sich nicht zwei Mal sagen. Er tastete sich in die Höhle. Die Hände nach oben gestreckt um den Fächer zu finden. Da stieß er mit der Hand an ein hartes, glattes, gebogenes Etwas, das am Ende eine Spitze hatte.
Er stieß einen Schrei aus und kam leichenblass aus der Höhle. "Da drinnen, meine Hoheit, steht ein Mann mit einem gebogenen Speer in der Hand."
Die Prinzessin schaute ihn streng an.
Wem sollte sie glauben? Der Dienerin oder dem Diener? Ihm oder ihr?

Schließlich schickte sie den letzten Diener in die Höhle. Sie war nun wirklich neugierig, wer oder was da in der Höhle war.
Der arme Diener tastete sich sehr vorsichtig die Wand entlang. Er tastete sich weit in die Höhle hinein, bevor er seine Hände ausstreckte. Da spürte er etwas längliches. Wie ein Seil.
Und ohne lange weiterzutasten, verließ er die Höhle und meldete:
"Da drinnen, meine Hoheit, hängt einfach ein Seil von der Decke."
Da war die Prinzessin ratlos. Wem sollte sie glauben?

Die vier Diener und die Dienerin fingen alle gleichzeitig an zu reden. Jeder glaubte recht zu haben. Sie stritten sich und machten einen Riesenlärm.
Von diesem Lärm erwachte der Elefant in der Höhle. Er schüttelte sich und ging aus der Höhle. Verwundert blickte er auf die schreienden Menschen vor der Höhle. Sie hörten sofort auf zu streiten, als sie den Elefanten sahen. Mit offenen Mündern starrten sie ihn an.
Nur die Prinzessin lachte. Nun wusste sie, dass sie keinem glauben sollte. Weder dem einen noch dem anderen. Weder ihr noch ihm. Und auch dem ersten nicht. Zufrieden kehrte sie ins Schloss zurück und noch oft hat sie über diese Geschichte gelacht.

[Sprachförderung: Personalpronomen]
 
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